STEREO GUIDE Testurteil
+ ausgewogener Klang
+ rundum gleichmäßige 360 Grad-Wiedergabe
+ integrierte LED Lampe
+ Smarte Spotify-Anbindung via Smartphone
+ Lautstärkeregelung mit Drehknopf wie an der HiFi-Anlage
– kein analoger AUX-Eingang
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Klang: Natürlichkeit7.7
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Klang: Bass/Dynamik6.7
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Praxis/Connectivity8
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Preis/Leistung10
Die HiFi-Boxen, die IKEA zusammen mit Sonos baut, sind gerade bezogen auf Preis und Funktion ganz famos. Doch was dürften alle, die wie ich in der ersten eigenen Wohnung mal klein mit den schwedischen Selbstbau-Möbeln angefangen haben, als Markenidentität vermissen? Keine Frage, den wohl berühmtesten Inbus-Schlüssel der westlichen Welt. Zwar kann der neue IKEA Vappeby im Gegensatz zu den schwedischen Sonos-Interpretationen nur mit Bluetooth statt mit WLAN und Multiroom-Tauglichkeit aufwarten. Aber er besitzt einen Inbus und vier Schrauben, mit denen frisch gebackene Besitzer*innen in einem jahrzehntealten Ritual den Polycarbonat-Henkel an dem aus robustem ABS-Kunststoff hergestellten Gehäuse anbringen müssen – oder dürfen.
Man kann in das zweckmäßige, markante Design jede Menge hineininterpretieren. Je nach Hintergrund reichen die Assoziationen von Darth Vader über eine Feuerwehr-Sirene bis zu dem, was der IKEA Vappeby wirklich ist: Eine nach Schutzklasse IP65 staubdichte und gegen Strahlwasser geschützte Outdoor-LED-Leuchte für Balkon und Garten. Zumindest betätigt er sich damit in Teilzeit. Die zweistufige, indirekt nach unten gerichtete Beleuchtung ist für das schwedische Multitalent nämlich nur ein Nebenjob. Im Hauptberuf arbeitet er als Lautsprecher.
Musiker mit Nebenjob als Beleuchter
Klingt vielleicht nach einem Geisteswissenschaftler, der sich als Taxifahrer durchschlägt. In Wahrheit erweist sich der Vappeby für beide Aufgaben als Idealbesetzung. Anders als im vorangegangen Beispiel entstehen sogar Synergien. Zwar hat IKEA mit der Symfonisk Tischleuchte bereits bewiesen, dass sich Lampe und Lautsprecher unter einen gemeinsamen Schirm bringen lassen. Doch kostet die multiroom-taugliche IKEA-Sonos-Licht-Lösung mehr als das Dreifache des Vappeby. Und wer keinen Wert darauf legt, sämtliche Speaker im ganzen Haus zu vernetzen, der kann mit dem IKEA Vappeby bequem auf seinen Spotify-Account zugreifen.
Zwar benötigt man dafür ein über Bluetooth mit dem Lautsprecher verbundenes Smartphone. Aber man kann mit der Funktion „Spotify Tap playback“ durch kurzes Antippen der Einschalttaste am Lampensockel die Wiedergabe des Musikdienstes starten. Praktisch: Die erforderliche Spotify App öffnet sich – sofern installiert – automatisch nach dem Pairing mit dem Smartphone.
Zweimaliges Tippen der Einschalttaste wechselt auf Basis der Nutzerpräferenzen mit weichem Ein- und Ausblenden zu anderer Musik. In der Mitte des kleinen, leider nicht beschrifteten Bedienfelds findet sich sogar ein großer Lautstärkeknopf wie an einem HiFi-Receiver. Durch Drücken lässt sich die Wiedergabe des Musik-Players auf dem gekoppelten Handy abfahren und wieder anhalten.
Der Lichtschalter verbirgt sich auf der Rückseite. Einmal drücken schaltet die nach unten abstrahlende LED-Lampe mit voller Leistung an. Zweimal drücken verringert die Leistung um die Hälfte und wer nochmal auf den Gummi-Button drückt, schaltet das Licht wieder aus.
Die Symfonisk Tischlampe für Balkon und Garten
Verglichen mit dem IKEA Vappeby ist die Konstruktion der IKEA Symfonisk Tischlampe fast schon trivial. Bei der packten Sonos und die Schweden das 2-Wege-Lautsprecher-System einfach in den riesigen Sockel und kaschierten die Treiber-Technik ganz simpel mit einem Stoffüberzug. Keine Frage, im Umfeld einfallsloser viereckiger Holzkisten war das auch schon eine Art Genieblitz. Doch die indirekte-Leuchtlösung und der nach oben und zu den Seiten geschlossene, pilzförmige Lampenschirm von Vappeby machten zahlreiche akustische Kniffe erforderlich. Denn analog zur indirekten Lichtabstrahlung entschied sich das Möbelhaus auch zu einer indirekten Schallabstrahlung. Das macht die Sache um einiges komplizierter.
Während Bässe sich bis zu Frequenzen über 100 Hz hinaus gleichmäßig nach allen Seiten ausbreiten, steigt mit zunehmender Frequenz die Richtwirkung. Um bei Lampen zu bleiben: Bässe sind wie Glühbirnen, deren Licht sich gleichmäßig im Raum ausbreitet. Mitten machen schon einen auf Schreibtischleuchte und Höhen neigen zur extremen Bündelung wie Maglite-Taschenlampen. Das erklärt auch gleich, warum es trotz eines Trends zu Bluetooth-Speakern mit omnidirektionalen 360-Grad-Klang nur weniges gelungene Beispiele gibt. Üblicherweise mangelt es diesen Kämpfern für Gleichberechtigung bei der Hörposition an tonaler Ausgewogenheit. Mitten klingen nicht selten diffus und Höhen glänzen entweder durch Abwesenheit oder Schärfe. Im schlimmsten Fall kommt gar beides zusammen.
360-Grad-Sound ohne Schwächen
Um so bemerkenswerter, dass die Regal-Experten der weltumspannenden Möbelkette – oder wer immer sie beim Vappeby unterstützt hat – eine blitzsaubere Abstimmung fanden. Der Breitband-Lautsprecher mit seiner konkaven Kunststoffmembran und einem amtlich großen Antriebsmagneten sitzt in einer Öffnung im Zentrum des Leuchtrings und strahlt, wie bei solchen Verfahren üblich, nach unten auf einen Kegelförmigen Diffusor ab. Schall und Licht treten dann gemeinsam gleichmäßig nach allen Seiten unterhalb des von drei Streben getragenen Lampenschirms aus.
So ausgewogen klingt der Leucht-Pilz
Im Hörtest klappte das Zusammenspiel der verschiedenen Frequenzbereiche verblüffend gut. Wir sparten uns dabei die Lichtfunktion, um den Akku zu schonen, der über ein mitgeliefertes, langes USB-Kabel mit dem separat erhältlichen Netzteil aufgeladen werden muss. Es blieb dann zwar etwas dunkel im Raum, aber eine dunkle Klangabstimmung konnte man absolut nicht beklagen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich von einem vergleichbaren Rundumstrahler so frische und dabei gut aufgelöste und ausgewogen dosierte Höhen gehört habe.
Chapeau! Vor dem Bluetooth-Speaker mit Helm muss man auch als verwöhnter HiFi-Tester den Hut ziehen. Vom Wettbewerbsumfeld dieser unteren Preisklasse mal ganz abgesehen, haben die Skandinavier die eierlegende Wollmilchsau geschaffen (Veganer mögen den Vergleich verzeihen). Von den erstaunlich tiefen, dabei auch noch differenzierten Bässen über die klaren, keinesfalls verwaschenen Mitten bis zu den frischen, aber nicht scharfen Höhen gelang eine Abstimmung, die alles, das man zu vergleichbarer Preisempfehlung neu im Handel kaufen kann, reichlich blass aussehen läßt. Ein leuchtendes Beispiel in jedem einzelnen Klangkriterium. Die tragbare LED-Lampe gibt es quasi als Gratisbeigabe. Wie geil ist das denn?
Die Väter von Billy können wirklich auch Boxen bauen
Wenn man jetzt den erfahrenen HiFi-Magazin-bewährten Tester raushängen lassen will, um sich vom oft leicht zu begeisternden Online-Nachwuchs abzugrenzen, könnte man herausstellen, dass Stimmen gerade bei gehobenen Pegeln – und der IKEA Vappeby kann ganz schön laut spielen – etwas rau und kehlig anmuten. Aber hey, das Teil kostet gerade mal 50 Euro. Für das Geld war man bisher schon froh, wenn man dafür einen Speaker bekam, der etwas Bass andeuten konnte und keine quäkende, blecherne Mittenwiedergabe bot. Im Vergleich zum JBL Flip 6, der laut Liste mehr als das Doppelte kostet, wirkt die Wiedergabe des Vappeby zwar nicht ganz so impulsiv und direkt, aber weniger spitz. Das liegt wesentlich am tieferen, differenzierteren Bass und seiner höheren Grundtonfülle.
Gerade bei Elektro-Pop wie der Salz-Remix-Version von Thomas Dolbys „One Of Our Submarines“ mit seinen Abgrundtiefen Synthesizer-Bässen spielt der Schwede souverän sein größeres Gehäusevolumen aus. Er klingt einfach mehr nach richtiger HiFi-Box, während gerade bei solchen vielschichtigen Kompositionen der JBL mit zunehmender Hördauer immer weiter abfällt. Allerdings sollte man den IKEA Vappeby nicht bis zum Anschlag aufdrehen, denn ab etwas 80% kappt der DSP den Tiefgang. Damit lassen sich Verzerrungen durch zu große Bass-Auslenkungen des kleinen Breitband-Treibers im Innern vermeiden. Der IKEA bleibt also stets sauber und klar.
Und obwohl der Vappeby vergleichbar mit anderen omnidirektionalen Bose-Boxen wie dem Bose Portable Smart Speaker aus größerer Distanz besonders ausgewogen und weiträumig klingt, macht er auch auf kurze Distanz auf dem Schreibtisch neben dem Computer eine tolle Figur.
Testfazit IKEA Vappeby: Düstere Zeiten für Mitbewerber
Schon für einen als Billig-Lösung gestarteten Tronsmart Studio muss man bei Amazon inzwischen 100 Euro berappen. Und ein gegenüber dem IKEA-Lautsprecher vergleichsweise winziger JBL Flip 6 kostet noch mal eine ganze Ecke mehr. Doch keiner von ihnen klingt annähernd so erwachsen wie der Vappeby. Und dabei können die anderen noch nicht einmal leuchten.
In meinem Job hört man mit schöner Regelmäßigkeit mit erschreckender Routine High-End-Anlagen im Gegenwert von einem Mittelklassewagen mit Vollausstattung. Aber manche davon würde man nicht einmal gegen einen Kleinwagen tauschen. Das sage ich, weil mich der schräg anmutende Pilzkopf von IKEA wirklich sprachlos gemacht hat, was für 50 Euro heute akustisch machbar ist – inklusive robuster Verarbeitung und (man kann es nicht oft genug erwähnen) einer Außenbeleuchtung. Den Entwicklern ist offensichtlich ein Licht aufgegangen. Trübe Aussichten für die klassischen Bluetooh-Boxen-Bauer, wenn die alten Schweden so weiter machen.
Technische Daten Ikea Vappeby
- Preisempfehlung des Herstellers: 50 Euro
- Abmessungen 25 cm Höhe, 17 cm Durchmesser
- Gewicht: ca. 1,5 kg
- Besonderheiten: USB-Ladekabel, zweistufige LED-Leuchte integriert, Akkulaufzeit bei halber Lautstärke und Leuchtkraft 11 – 13 Stunden, Schutzklasse IP65
- Mehr unter www.ikea.com