STEREO GUIDE Testurteil
Äußerlich ähnelt der Marshall Woburn III dem Vorgänge. Im Test überzeugte die Bluetooth-Box mit einem gelungenen Mix aus Features und ausgewogener Klangfülle.
Vorteile
- sehr satter, differenzierter Bass
- App mit guter Raumkompensation
- HDMI- und Cinch-Eingänge
- hochwertige Verarbeitung mit guten Materialien
Nachteile
- etwas sperrig für einen Platz unterm TV
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Klang: Natürlichkeit / Transparenz9
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Klang: Bass / Dynamik9
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Praxis / Connectivity8.9
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Preis/Leistung9
Die kompakten Bluetooth-Lautsprecher aus dem Hause Marshall, von denen sich schon zahlreiche Modelle in STEREO GUIDE dem Test stellten, kommen vom Kultfaktor nicht ganz an die Gitarren-Verstärker heran. Kein Wunder, ist die Marke doch seit 60 Jahren eine Ikone in der Rockkultur. Unzählige Gitarrenhelden haben einen Marshall hinter sich – und demnächst auch einen im Wohnzimmer? Der neue Marshall Woburn III ist da der heißeste Kandidat – der ist nicht nur so groß, wie es sich für einen Marshall gehört, er bietet mit 120 Watt auch genug Leistung.
Doch die eigentliche Neuerung ist ein HDMI (ARC) Eingang: Wer gern Rockkonzerte oder E-Gitarren-Lehrfilme auf dem Fernseher schaut, kann den Woburn III direkt verbinden und über die Fernbedienung des TV steuern. Ausreichend Platz unter dem TV sollte man allerdings haben. Der Woburn III misst nicht nur 32 Zentimeter in der Höhe, seine schön gemachten Drehregler und Kippschalter sind auch nur von oben bedienbar.
Fühlt er sich also auf einem flachen Lowboard oder doch gleich auf dem Boden am wohlsten? Diese Frage stellten sich die Entwickler in vorauseilendem Gehörsam stellvertretend für die späteren Besitzer. Als Antwort darauf bekam die für iOS und Android kostenlos erhältliche Marshall Bluetooth App die nötige Raumkompensation jedenfalls eingebaut. Die Funktion bedeutet bei großen Leistungen gerade im Bass ein wirklich sehr sinnvolles Feature.
Viel Power für den größten Marshall
Leistung ist natürlich bei einem dynamischen System nichts ohne sinnvolle Verteilung auf die Räder, pardon Lautsprechertreiber: Der Marshall Woburn III ist ein reinrassiges 3-Wege-Stereo-System mit vollaktiver Trennung. Die beiden außen liegenden Hochtonkalotten mit hornähnlichem Waveguide-Schallführungen formen mit zwei recht kleinen, 5,5 Zentimeter messenden Mitteltönern die Stereowiedergabe. Ein 17 Zentimeter großer, zentral angeordneter Bass unterstützt als Subwoofer, befeuert von allein 90 Watt Leistung. Ein Bassreflexrohr hinten sorgt für den letzten Schub im unteren Bass. Damit ist aber auch schon vor dem Praxisversuch im Hörtest klar: Der Woburn III sollte wenigstens ein bißchen von der Wand entfernt stehen.
Die Bedienung: App oder Retro-Regler?
Die Bedienelemente bringen endgültig das echte Marshall-Feeling ins Wohnzimmer: Der Powerknopf ist ein Kippschalter wie aus der guten alten Zeit, der richtig schon „klack“ macht. Drei Regler mit Analog-Feeling steuern Lautstärke, Höhen und Bässe. Sie haben allerdings keinen Anschlag wie die mechanischen Potentiometer in dem vor einiger Zeit getesteten Marshall Kilburn 2. Sie vermitteln beim Drehen aber mit ihrem leichten Widerstand ein hochwertiges Gefühl und ermöglichen dank der elektronischen Regelung die Synchronisation mit dem Smartphone und der Marshall Bluetooth App.
Dazu gibt es auf dem in Messing gehaltenen Bedienfeld zwei Tasten: Einen klassischen Drücker aus Messing zur Quellenwahl, der dank vierer LED-Anzeigen wirklich zielgenau zum richtigen Eingang führt. Und einen Drück/Schiebeschalter für Play/Pause und Titel Vor/Zurück. Wir sind begeistert: Einfacher und intuitiver kann man das nicht lösen. Da können sich so manche andere Hersteller mit 5-fach belegten Mehrfach-Buttons und Klammeraffengriffen eine Scheibe von abschneiden.
Einfache, aber intuitive App
Die Marshall Bluetooth App für iOS und Android ist schön gemacht, bleibt in den Funktionen aber auf das Wesentliche beschränkt. Bei einem so bassmächtigen Speaker ist vor allem eine Zähmung der tiefen Tonlagen entscheidend. Das könnte man zwar mit dem vergleichsweise groben Bassregler irgendwie hinbekommen, der sich unter der verheißungsvollen Bezeichnung „Equalizer“ als Fernbedienung für die Bass- und Höhenregelung verbirgt.
Logischer und besser angepasst freilich geht es nach der Ortseingabe in der App. Marshall spricht von einer Placement Compensation. Je nach gewähltem Aufstellungsort dosiert der Woburn III Bass gleich entsprechend. Das ist besonders wichtig, wenn der Woburn III auf dem Boden, in Wandnähe oder einer Raumecke steht, denn dann droht der Tiefton ohne Korrektur zu fett zu werden.
So kommt die Musik zum Marshall Woburn III
Mit Bluetooth 5.2 mit AptX für Wireless-Wiedergabe ist der Marshall auf der Höhe der Zeit und ermöglichte in unserem Test eine absolut stabile Verbindung. Er schaltet auch mit seiner Multihost-Option zwischen zwei gleichzeitig verbundenen Smartphones um. Die Verbindung ermöglicht auch Firmware-Updates über das Smartphone, das zunächst die Daten aus dem Internet abrufen muss. Dazu sollte es idealerweise via WLAN mit dem Web verbunden sein. Dass die Übung im Test doch über 10 Minuten Zeit in Anspruch nahm lag vor allem auf den letzten Metern Bluetooth-Strecke vom iPhone auf die Marshall-Box.
Vorm Hörtest noch ein paar Worte zur Konnektivität. Ein analoger 3,5-mm-Klinkeneingang findet sich oben auf dem Bedienfeld. Ein Pärchen RCA/Cinch-Eingänge sitzt dafür auf der Rückseite ganz unten. Dieser für klassische HiFi-Komponenten gedachte Analog-Eingang lässt sich über den Quellwahlschalter auch getrennt von der Klinke anwählen. Das erweist sich als sehr praktisch, wenn man zum Beispiel einen Plattenspieler mit Vorverstärker und zusätzlich einen alten MP3-Player anschließen will. Der HDMI-Eingang liegt ebenfalls auf der Rückseite. Er folgt der HDMI ARC Norm und eignet sich damit für den Anschluss an ein TV-Gerät, das dann mit seiner Fernbedienung die Steuerung des Marshall Woburn III inklusive Lautstärke dann übernimmt. Als Soundbar-Ersatz erscheint der Bluetooth-Lautsprecher allerdings ganz schön sperrig.
Viel Druck, Bass und Spaß im Hörtest
Den Hörtest des Marshall Woburn III konnte man kurz auf den Punkt bringen: Sounds as it looks. Was er besonders bei kickenden Bässen jedweder Art an Tiefe, Druck und Impulsschnelligkeit zu Gehör brachte, war für ein One-Box-System schlicht eine kleine Sensation. Und das konnten wir bisher noch keinem solchen System attestieren, auch nicht von Marshall. Und ja – uns ist bewusst, dass beim Testen kleinerer Bluetooth-Boxen, die ein bisschen grummeln, anderswo schnell Begriffe wie „Mega-Bässe“ fallen.
Nicht bei uns. Und das sagen wir nicht nur als erfahrene Tester von teuren HiFi- und High-End-Komponenten. Durch die hochpreisigen Stereo Aktivboxen wie eine KEF LS50 Wireless II, wie wir bei STEREO GUIDE schon im Test hatten, ist der Anspruch an Basstiefe und -präzision schon einmal sehr hoch.
Macht mächtig Laune
Ein bißchen artete der nüchterne Hörtest deshalb in Schwärmerei auch jenseits des überzeugenden Basses aus. So überzeugte der Marshall Woburn III mit jeder Musikarichtung, die wir ausprobiert haben. Na klar, so manche Hommage an in die alten Gitarrenverstärker wie der Deep-Purple-Rock-Klassiker „Smoke On The Water“ waren dabei. Auch Pop-Titel respektive Elektro-Musik wie etwa das Spandau-Ballet-Cover „True“ von Yuri Petrovski mit seinen straffen, richtig satten Beats kamen so richtig fett und souverän, dass einem das Herz aufging. Ich probierte auch Jazz und als anderes Extrem Hip Hop und elektronische Dance-Musik. Ups, dabei fällt mir auf, dass ich Klassik vergessen habe.
Das liegt nicht nur daran, dass ich persönlich an klassischer Musik höchstens gelegentlich im Konzertsaal Freude finde. Und – wer kauft sich einen Bluetooth-Lautsprecher im Rock-Retro-Design, um darauf klassische Musik zu hören? Doch zu einem umfassenden Hörtest gehört eben auch Klassik, und in punkto Ausgewogenheit und Klangfarben lieferte der Marshall bisher zuverlässig ab.
Es darf auch mal Klassik sein
So auch bei Klassik, was eine gehörige Überraschung war. Bei Rodrigos „Concierto de Aranjuez“ fiel mir fast die Kinnlade herunter. Das Anreißen der ersten Gitarrenseiten ließ schon eine tolle Attacke, ein fein nachgezeichnetes Ausklingen der Saiten und einen warmen Korpus erkennen. Bemerkenswert: Dem Woburn III gelang es, das Anreißen der Saiten ohne eine oft mit Impulsivität einhergehende Härte in Klänge zu verwandeln. Der Wiedergabe des legendären spanischen Gitarrenkonzerts gelang ausgesprochen differenziert und elegant, dabei ausgewogen und natürlich warm. Natürlich ersetzt die Bühnendarstellung keine Stereoboxen und es klang etwas vage in der Projektion. Ich finde aber, mehr kann man auf diesem anspruchsvollen Terrain von einem Onebox-Speaker dieser Breite kaum erwarten.
Doch der Spaßfaktor ist klar bei Pop, Rock und Hiphop am größten. Der größte Bluetooth-Speaker von Marshall schiebt, was das Zeug hält. Dabei kommt er noch um einiges tiefer, als mancher Mitbewerber, der einfach nur im Oberbass kickt. Das macht die Basswiedergabe differenzierte, die Performance erwachsener. Zieht man andere Lautsprecher in seiner Größe oder Boxen respektive HiFi-Anlagen in seiner Preisklasse zum Vergleich heran, kommt man nicht umhin, dem Retro-Speaker Respekt zu zollen. Stimmen klingen hell, klar und differenziert. Die Höhen sind präsent, aber driften nie in die Schärfe oder gar metallische Härte ab.
So gehaltvoll wie eine kleine Stereo-Anlage
Eigentlich sollte man es nicht erwähnen, dass sich die Klangbalance und die Relaxtheit, die den Woburn III auszeichnet, bei vollem Ausschöpfen der immensen Leistungsreserven einer leichten Strenge weicht. Das Limit liegt aber jenseits aller vernünftigen Lautstärken. Erwähnen wollen wir es trotzdem, denn knapp 600 Euro sind ein deftiges Budget und der Marshall weckt beim Hören höhere Ambitionen. Insofern hat er das Zeug, am Nimbus teurerer Anlagen lustvoll zu knabbern. Was ihn aus Sicht von allen, die Musik vor allem zum Spaß hören, zum echten Sonderangebot macht.
Warnung zum Schluss: Erwarten Sie nicht, dass der Nachtmodus in der App den Hausfrieden rettet und hohe Abhörpegel zu später Stunde ermöglicht. Die Bass-Beschneidung der gut gemeinten Funktion ist so marginal, dass in Mehrfamlienhäusern nur Zurückhaltung im Umgang mit der Lautstärke hilft. Immerhin verfügt der Marshall Woburn III ähnlich wie Sonos über eine sehr gut gemachte dynamische Loudness-Regelung, die ihn selbst bei geringen Pegeln sehr voll wirken lässt. Damit eignet er sich besser für vollen Hörgenuss mit vollen Bässen bei niedrigen Pegeln als eine normale HiFi-Anlage mit Passiv-Lautsprechern.
Test-Fazit und Alternativen zum Marshall Woburn III
Wer sich die volle Rockkonzert-Dröhnung am TV geben will, wird auf dem Markt keine Alternative finden. Wenn es um gefühlte Dynamik und kräftige Bässe geht, hat der Woburn III aber auch ohne Nutzung des HDMI-Eingangs wenig Konkurrenz. Der Denon Home 350 und der Ultimate Ears Hyperboom spielen ähnlich laut, aber im Vergleich zum Marshall auch weniger homogen und im Bass nicht so auf den Punkt. Der Bowers&Wilkins Zeppelin ist audiophiler und projiziert weiträumiger, ist aber auch teurer und schiebt untenrum weniger. Allenfalls der Teufel Boomster XL kann bei Dynamik, Tiefbass und Spielfreude des Marshall mithalten. Aber nicht beim Charme.
Vielleicht baut Marshall beim nächsten Woburn noch einen Phono-Eingang für Plattenspieler ein. Schließlich finden viele junge Leute – von älteren ganz zu schweigen – nicht nur Retro-Design toll, sondern auch Vinyl.
Technische Daten Marshall Woburn III
- Preisempfehlung des Herstellers: 570 Euro
- Abmessungen (B x H x T): 40 x 31,7 x 20,5 cm
- Gewicht: 7,5 kg
- Besonderheiten: HDMI-ARC, Analog-Eingang, analoge Klang-/Lautstärkeregler
- Mehr unter: www.marshallheadphones.com