STEREO GUIDE Testurteil
Der kompakte Marshall Middleton ist eine Outdoor-Bluetooth-Box mit sehr kräftigem Bass. Im Heim dagegen passt er deshalb nicht überall.
Vorteile
- tolle Dynamik, spritzige Höhen
- ausgewogener Klang mit 360-Grad-Rundumstrahlung
- voluminös-tiefer Bass für die Größe
- einfache Bedienung, praktisch
Nachteile
- Tiefbass für Indoor zu dominant, neigt zum Dröhnen
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Klang: Neutralität / Transparenz7.8
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Klang: Bass / Dynamik7.7
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Praxis / Connectivity8.8
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Preis / Leistung8.8
Gleich zu Beginn des neuen Jahres überrascht Zound Industries mit einem neuen Bluetooth-Lautsprecher, dem Marshall Middleton. Das letzte Feuerwerk von neuen, klanglich und technisch ausgereiften Bluetooth-Lautsprechern zündete der Kulthersteller Marshall beziehungsweise sein skandinavischer Lizenznehmer im Heimbereich: Acton III, Stanmore III und Woburn III reüssierten bei uns allesamt im Test. Mancher Fan der Marke mag sich eine tragbare Version mit Akku gewünscht haben – quasi ein größerer Marshall Emberton 2. Der war in unserem Test bisher der vielseitigste und überrascht klanglich immer wieder positiv, aber er ist eben auch ziemlich klein und kein Dynamik-Rocker.
Mit dem neuen Modell Middleton wurden die Rufe der Fans erhört: Wir hatten eigentlich das Gefühl, einen deutlich gewachsenen Emberton 2 vor uns zu haben. Gewachsen heißt in diesem Fall, dass sich insbesondere das Gewicht mehr als verdoppelt hat. Die Gummischlaufe, an dem man den Middleton trägt, fällt dementsprechend breit aus. Das Gewicht spürt man entsprechend auf dem Weg von der S-Bahn zum Badesee. Also ab in den Rucksack mit dem Middleton, was dank der noch kompakten Maße und der Verrundung machbar ist. Ob er als kompakterer Nachfolger des Kilburn II diesen vielleicht sogar langfristig ersetzen kann?
Ein erwachsener Emberton II
Die Akkulaufzeit wuchs übrigens nicht mit dem Gewicht. Der Middleton begnügt sich mit immer noch achtbaren 20 Stunden maximaler Laufzeit, und verlangt danach stolze 4,5 Stunden für eine volle Akkuladung.
Das hat aber auch einen guten Grund: Im Inneren arbeiten nun 4 Verstärkerkanäle, die insgesamt 60 Watt mobilisieren. Das ist mal fast eine fröhliche Verdoppelung gegenüber dem nominell größeren Marshall Kilburn II und ermöglicht nicht nur tiefe Bässe und hohe Schallpegel, sondern auch eine vollwertige Stereo-Anordnung in 2-Wege-Technik. Also zwei Tiefmitteltöner von erstaunlichen 7,6 Zentimetern Durchmesser und zwei kleine Hochtönern Zwei große Passivmembranen sorgen zusätzlich für Erweiterungen des Tiefton-Bereiches nach unten, ohne dass wertvolle Verstärkerleistung oder Gehäusevolumen dafür verheizt werden müsste. Auch ein Rekord an Membranfläche also für das Volumen.
Bluetooth-Box mit Quadro-Antrieb
Die Anordnung der Chassis verteilt sich auf alle vier Seiten. Die beiden Tiefmitteltöner strahlen jeweils zu ihrer Seite, Vorder- und Rückseite werden von je einem Hochtöner plus einer Passivmembran besetzt. Der rechte Hochtöner sitzt dabei vorn rechts, der linke hinten links. Der kompakte Riegel muss also immer horizontal stehen und sollte etwas Mindestabstand zu allen Seiten hin bekommen.
Der Hersteller verspricht dadurch eine stereophone Verbreiterung des Raumklangbildes und nennt das „True Stereophonic mit multidirektionalem und immersivem Sound“. Aus Sicht eines Heimkino-Enthusiasten vielleicht etwas übertriebene Worte, denn eine komplexe Schaltung für virtuellen Surroundsound fanden wir im Middleton nicht. Was für den Klang von Musik in Stereo eher ein Vorteil ist, denn allzu komplexe Schaltungen dieser Art führen oft auch zu phasigem und ausgelöschtem Sound in den Mitten. Und im Open-Air-Betrieb hat der Middleton damit ein Rundstrahl-Verhalten, das seinesgleichen sucht.
Höchstes Lob für sinnvolle Features
Einige Mitbewerber scheinen nach unseren Erfahrungen in jüngsten Tests ihre Bluetooth-Speaker mit Funktionen zu überladen. Und auch die Marshall-Ausstattungsliste wächst. Doch gerade beim Middleton hatten wir das Gefühl, dass hier nur wirklich sinnvolle und intuitiv zu bedienende Funktionen hinzugefügt wurden und kein Schnickschnack.
Viele Marshall-Fans werden den zusätzlichen analogen Klinkeneingang zu schätzen wissen, den wir beim Emberton II noch vermisst hatten. Einen Partymodus, der wie bei Marshall üblich, stilecht „Stack-Modus“ heißt, gibt es dagegen. Und er lässt sich ohne App aktivieren. Allerdings kann man aus zwei Middleton kein echtes Stereopaar bilden, sondern muss sich auf die Stereoabbildung eines Speakers verlassen. Auch eine App-Steuerung, Powerbank-Funktion sowie ein Multihosting für die Verbindung von zwei Quellgeräten gibt es. Bluetooth befindet sich mit Version 5.1 absolut auf dem Stand der Technik.
Zwar bietet der Middleton nicht das Retro-Feeling mit Drehreglern, wie sein Homie-Bruder Acton III. Aber der messingfarbene Joystick-Knopf für Lautstärke und Wiedergabesteuerung überzeugte uns mal wieder voll. Die weiteren Taster für die Eingangswahl, das Stacking und für Bass- wie Höhenregler erwiesen sich im Test zwar äußerst praktisch und intuitiv. Aber sie sind auch allesamt ziemlich gut auf der Oberseite versteckt. Deutlicher sichtbar ist dafür die vorbildlich aufgelöste rote LED-Akku-Anzeige.
Der App fehlt ein wichtiges Feature
Die Marshall Bluetooth App für iOS und Android verdoppelt im Prinzip alle diese Anzeigen und Möglichkeiten, womit sie im Endeffekt weitgehend verzichtbar bleibt. Am Android-Phone verlangte jedoch die Bluetooth-Verbindung im Test exklusiv nach einer App, und erst nach etlichen Versuchen in der Verbindungsreihenfolge, Systemupdates und mehreren Sackgassen in den Playstore klappte es schließlich mit der Synchronisation. Einen wichtigen Wunsch ließ die App übrigens offen, aber dazu kommen wir gleich an geeigneter Stelle im Hörtest.
Wasserdicht, staubdicht, nachhaltig
Die Schutzklasse IP67 des Middleton steht für ein bis zu 30 Minuten langes Eintauschen in bis zu einem Meter tiefen Wasser. Mit dem Staubschutz zusammen ist das mehr, als man im rauen Alltag am Strand und Campingplatz braucht.
Zumal der Middleton mit seinem stabilen, aber fingerschmeichelndem weichen Gehäuse in Lederoptik und verrundeten Kanten auch ziemlich widerstandsfähig zu sein scheint. Nostalgische Retro-Optik steht übrigens der Nachhaltigkeit nicht entgegen: 55% Recyclinganteil verspricht der Hersteller beim Gehäuse, und setzt kein PVC ein. Das sollte ja auch für Vinyl-Schallplatten reserviert werden, falls es mal knapp werden sollte.
So klingt der Marshall Middleton
Mit einem kurzen E-Gitarrenriff meldet der Marshall eine gelungene Verbindung zum Bluetooth-Gerät. Bei unseren Hörtestrunden in verschiedenen Umgebungen kamen wir dann schnell zu dem Gefühl, hier zwei verschieden abgestimmte Bluetooth-Systeme vor uns zu haben. Will sagen, im Open-Air-Betrieb war der Marshall Middleton eine Bank: Dynamisch, spritzig, satter, tiefer Bass und dabei ordentlich laut. Er schaffte es auch wie kein zweiter Outdoor-Lautsprecher, anspringenden, schnellen Klang mit perfektem Rundstrahlen nach vorn und hinten zu verbinden.
Besonders gefiel uns die Abstimmung in Mitten und Höhen: Stimmen erklangen ausgewogen und mit guter Durchzeichnung, aber doch mit dem nötigen Nachdruck und Artikulation, wie man es von einem Rockkonzert erwartet. Bei allem Hang zum Rockigen und Knalligen wurde der Middleton nie scharf und lieferte eine wirklich saubere Durchzeichnung. Selbst wenn er mal mehrere Stimmen, Blechbläser oder Saxophone wiedergeben musste.
An Bass herrscht wahrlich kein Mangel
Seine Bassfähigkeiten waren angesichts der Größe verblüffend voluminös: richtig tief, satt und laut schleuderte er Beats raus, als hätte er das Doppelte oder Dreifache an Volumen zur Verfügung. Dass der Tiefton dabei manchmal ein wenig dominant erschien und nicht immer mit dem subjektiven Speed von Mitten und Höhen mithalten konnten, dürfte am Strand oder im Park niemanden stören. Gerade älterer Rock, 1970er-Disco und Co klangen schön fett und satt. Bei elektronischen Beats konnte es dagegen mit dem Volumen untenherum auch zuviel sein, und Impulse vereinigten sich zu einem wahren Bassgewitter.
Das wurde aber im Wohnzimmerbetrieb zum Handicap: Im Tiefton erschien dann ein schmaler Frequenzbereich so dominant, dass er den Rest des Spektrums zudeckte. Je nach Musikstück und Raumakustik kippte das zu einem schwammigen Bass oder gar ein Dröhnen, was besonders bei wandnaher Plazierung einfach zuviel des Guten war. Eine Korrektur am Bassregler half da übrigens nicht, sondern nahm dem Klangbild noch zusätzlich Grundtonvolumen und Kickbass, was den sehr raumabhängigen Effekt verstärkte.
Schade, denn ansonsten hätte der Middleton auch indoor eine gute Figur gemacht. In kleineren Räumen und wenn man direkt vor ihm sitzt, merkt man zwar wenig vom Stereoeffekt, umso mehr aber von seiner anspringenden Dynamik und Direktheit. In größeren Räumen, besonders wenn der Marshall auf einem Tisch in Richtung Ecke mit eine halben Meter Abstand zu allen Wänden stand, lieferte er aber eine gute Schallverteilung und Raumgröße.
Schwer zu zähmen
Doch leider nimmt da erfahrungsgemäß das Dröhn-Problem im Bass nochmals zu. Der rückwärtige Hochtöner wiederum macht im Regal oder direkt an der Wand den Sound zum Glückspiel. So können wir ihn nach unserem ausgiebigem Test in verschiedenen Räumen und Outdoor-Locations ernsthaft nur für den Betrieb unterwegs empfehlen. Das aber mit umso mehr Nachdruck. Dabei wäre Abhilfe zum Greifen nahe: Für seine Home-Speaker wie dem Woburn 3 hält die Marshall Bluetooth App nämlich eine einfach zu nutzende „Placement Control“ an, mit der sich der ebenfalls sehr basskräftige Bluetooth-Lautsprecher im Tiefton-Bereich an seinen Aufstellungsort anpassen lässt. Aber wie das inzwischen so ist: Heute ist nicht aller Tage, vielleicht bringt sie ein zukünftiges Update, wenn sich nach dem Start viele Nutzer unserer Meinung anschließen.
Testfazit und Alternativen zum Marshall Middleton
Geballte Technik, überzeugendes Äußeres, gerade noch kompakte Maße und dynamisch-erwachsener Klang – in seiner Größenklasse räumt der Marshall Middleton für den Freiluftbetrieb ab. Dafür kostet er ein paar Euro mehr als mögliche Konkurrenten wie der Aiwa Exos-3 oder der Dockin D Fine 2. Beide spielen auf einem vergleichbarem Niveau wie der Marshall und bringen serienmäßige Netzteile mit. Sie sind aber größer und schwerer. Wenn also Geld keine Rolle spielt und Bass-Gewalt im Handtaschen-Format gefragt ist, haben sie damit einen gewissen Nachteil.
Schwieriger wird es dagegen beim Hybrid-Betrieb im Heim: ein Sony SRS-XG300 klingt mit seinem trockenen Bass vielleicht gerade für Hip-Hop-Fans nicht ganz so spektakulär und ist schwerer, bereitet im Bass aber auch kaum Probleme im Zusammenspiel mit dem Raum. Der Japaner kennt keine Dröhn-Probleme, die am Ende des Tages eine Indoor-Empfehlung für den Middleton verhindern. Ausnahme: Wenn man mit Trockenbau-Wänden und Schrägen unterm Dach wohnt – was Bass absorbiert.
Technische Daten: Marshall Middleton
- Preisempfehlung des Herstellers: 300 Euro
- Abmessungen (B x H x T): 23 x 11 x 9,5 cm
- Gewicht: 1,8 kg
- Akkulaufzeit bis zu 20 Stunden
- Besonderheiten: Wasser- und Staubschutz nach IP67, Marshall Bluetooth App, Stack-Modus, Multi-Host mit zwei Smartphones, in Schwarz oder Beige
- Mehr unter: www.marshallheadphones.com