STEREO GUIDE Testurteil
Der Cambridge Audio Melomania M100 überzeugte im Test mit highendigem Klang und starker Batterie.
Vorteile
- audiophil und natürlich bei allen Genres
- Auflösung und Raum überragend
- sehr lange Batterielaufzeit
- gute App mit tollem EQ
Nachteile
- Tragekomfort nicht optimal, drückt bei kleinen Ohren
- Mikrofon und Bluetooth-Stabilität nicht optimal
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Klang: Natürlichkeit / Transparenz9.6
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Klang: Bass / Dynamik9.2
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Praxis / Connectivity8.8
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Preis / Leistung9.1
Dass sich klassische HiFi-Marken in den Kopfhörerbereich wagen, ist nichts Neues. Und auch Cambridge Audio, bekannt für klassische Verstärker, Bluetooth-Plattenspieler und sehr durchdacht konzipierte Heim-Streamer, hatte schon einmal eine Serie von True-Wireless-Hörern im Programm. Den Melomania Touch hatten wir bereits im Test. Mit dem Cambridge Audio Melomania M100 kommt jetzt der Nachfolger auf den Markt. Mit 200 Euro sortiert er sich genau in die Mitte zwischen der Mittelklasse und der Oberklasse in diesem Segment ein, und verspricht neben „britischem Klang“ einige bemerkenswerte technische Besonderheiten.
Das erste, was im Datenblatt auffällt, ist die enorme Akkulaufzeit: Bis zu 16 Stunden halten die beiden Earbuds ohne Nachladen durch, 52 Stunden sind es inklusive Nachladen im Case. Bei aktiviertem ANC reduziert sich das auf immer noch eindrucksvolle 33 Stunden.
Doch auch sonst verspricht man bei Cambridge Audio Spitzentechnologie, etwa die neueste Sprachtrennungsmöglichkeiten des Chip-Zulieferers Qualcomm, ein selbstanpassendes Noise-Cancelling und die Unterstützung des Codecs aptX Adaptive mit Auflösungen von bis zu 96 kHz und 24 Bit.
Solides Technik-Paket
Die Akkulaufzeit ist umso beeindruckender, wenn man sich den Verstärkerteil genauer ansieht. Der englische Hersteller verspricht, dass die Cambridge Melomania M100 von „echten HiFi-Ingenieuren entwickelt“ wurden, die folgerichtig zu einem echten Class-A/B-Verstärker in den Earbuds gegriffen haben. Eine Technologie, die man sonst eher von klassischen Heim-Stereo-Verstärkern mit dicken Kühlkörpern kennt, die bei HiFi-Fans für natürlicheren und wärmeren, aber auch auch schlechteren Wirkungsgrad steht.
Die Micro-Amps treiben pro Seite eine Membran von 10 Millimeter Durchmesser an, was im In-Ear-Bereich zu den größten zählt, die überhaupt noch in ein solches Gehäuse passen. Dementsprechend fällt auch das Gehäuse etwas klobiger aus, das Gewicht liegt mit 6,6 Gramm pro Earbud noch im üblichen Rahmen.
Etwas größer und schwerer als die Konkurrenz kommt das Batteriecase daher, in dem die beiden Earbuds magnetisch angezogen bequem einrasten. Da es aber schön abgerundet ist und nicht zu dick aufträgt, geht das angesichts der enormen Akkuleistung aus unserer Sicht völlig in Ordnung.
Bedienung und App
Keine Überraschungen gibt es aus Sicht des TWS-Testers bei der Bedienung: Auch die Cambridge Audio Melomania M100 werden über Touchflächen jeweils auf der linken und der rechten Kapsel gesteuert. Der Funktionsumfang ist gut. Netterweise legt der Hersteller auch eine Kurzanleitung im Scheckkartenformat bei.
Die Sprachansagen als Rückmeldung für das Umschalten zwischen Noise-Cancelling, Transparenzmodus und Normal haben uns nach kurzer Zeit etwas genervt, vor allem wegen der resultierenden Verzögerungen. In der App gibt es aber eine einfache Möglichkeit, diese durch Töne zu ersetzen oder auszuschalten. Wer den Anfang einer Ansage in Flugzeug oder Bahnhof nicht verpassen will, dem empfehlen wir das dringend.
Toller EQ in der App
Die Cambridge Melomania Connect App muss zunächst im App Store oder Play Store gefunden werden, was aufgrund zweier unterschiedlicher Versionen für die alte und die neue Generation Melomania etwas verwirrend sein kann. Einmal installiert (Expertentipp: Die Version mit dem orangen Cambridge-Logo ist die richtige), gelang die Verbindung vorbildlich schnell und stressfrei. So wünschen wir uns das auch von anderen Herstellern!
Highlight der App ist der 7-Band-Equalizer, der mit ein wenig Vorwissen in tontechnischen Dingen eine perfekte akustische Anpassung an Ohrkanal und Hörgeschmack ermöglicht. Neben den vorgefertigten Presets kann man sich auch eigene Kurven speichern und benennen. Besser kann man das nicht umsetzen!
Ebenso vorbildlich lassen sich die Touch-Kommandos von linkem und rechtem Earbud frei programmieren oder einzelne davon deaktivieren. Noise-Cancelling und Transparenzmodus sind in der App auch umschaltbar, wobei man ersteren noch einmal in drei Stufen in der Intensität verändern kann.
Für bestimmte Situationen lassen sich spezielle Modi aktivieren, etwa für Computerspiele ein Low-Latency-Modus, ein Schlafmodus zum Deaktivieren der Touch-Empfindlichkeit sowie ein Mono Modus, wenn man sich das Paar Earbuds zwischen zwei Personen aufteilen will.
Ansonsten bleibt die App auf Standardfunktionen wie Firmwareupdate und Anzeige der Batteriestände beschränkt.
Fünffache Adapterwahl und Einsetzen in den Gehörgang
Beim ersten Probebetrieb fühlen sich die Cambridge Melomania M100 zunächst recht locker und unauffällig im Ohr an. Das ist jedoch ein Trugschluss, denn für guten Bass und effektives Noise-Cancelling müssen sie wirklich dicht im Gehörgang sitzen. Das bedeutet: Gegenüber dem intuitiv angenehmen Sitz muss man noch einmal eine Vierteldrehung mit einigen Millimetern Tiefgang vollführen, bis die beiden Stöpsel wirklich stramm im Gehörgang sitzen.
Das gelingt bei den meisten Hörern problemlos, weil der Hersteller fünf verschiedene Adapter mitliefert: Silikondichtungen in drei Größen und Schaumstoffadapter in weiteren zwei Größen. Die englischen Normalohren scheinen etwas größer auszufallen, denn die „S“ Adapter kamen uns eher wie „M“ bei anderen Herstellern vor. Deshalb sollten Hörer mit sehr kleinen Ohren oder engen Gehörgängen die Melomania M100 unbedingt ausprobieren. Sonst könnten sie im wahrsten Sinne des Wortes an Begrenzungen stoßen und den Sitz der M100 als drückend empfinden.
Sitzen die beiden Earbuds dicht, taucht mit der Aktivierung des Noise-Cancellings ein kleines Problem auf: Beide Kapseln müssen identisch dicht im linken und rechten Gehörgang sitzen, sonst sorgt das Noise-Cancelling für eine unterschiedliche Auslöschung und ein sehr komisch phasiges Gefühl auf dem Trommelfell. Wem das wegen unterschiedlich großer Ohrkanäle nicht gelingt, der sollte die Schaumstoffadapter probieren oder generell von den Cambridge Melomania M100 Abstand nehmen.
Natürliches, aber nicht überragend starkes ANC
Nach der entsprechenden Korrektur des Sitzes konnten wir dem Noise-Cancelling lauschen. In üblicher Umgebung lieferte das in der stärksten Stufe eine überzeugende, aber nicht überragende Leistung ab: Wie in einer Anti-Stress-Kabine im Flughafen erschienen besonders tieffrequente Lärmquellen wie Flugzeugturbinen sehr angenehm gleichmäßig und natürlich Gedämpft. Gedämpft bedeutet aber wirklich auch: gedämpft, sie verschwanden nie ganz, wie wir das bei den klassenbesten TWS von Sony oder Bose kennen. Dafür können wir die Dämpfung nur als angenehm, natürlich und entspannend beschreiben. In sehr ruhiger Umgebung bemerkt man ein minimales, aber nicht störendes Grundrauschen. Das wird nahezu unhörbar, wenn man die mittlere oder geringe ANC-Intensität wählt, aber dann bleibt auch nur eine subtile, dafür sehr natürliche Dämpfung der Außengeräusche übrig.
Kleiner Wermutstropfen: Seitenwind mögen die Cambridge Audio M100 genausowenig wie eine überladene Boeing bei der Landung. Das bringt zwar nicht die Passagiere vom Kurs ab, sorgt aber für merkwürdig knisternde Geräusche. Für Sport und Outdoor-Aktivitäten können wir die Melomania deshalb nur eingeschränkt empfehlen. In urbaner Umgebung in der Nähe zu vielbefahrenen Straßen konnte man zudem miterleben, wie der Geräuschunterdrückungsmodus sich anzupassen versuchte und seine Dämpfung ständig änderte.
Insgesamt hinterließ das Noise-Cancelling einen sehr guten, wenn auch nicht perfekten Eindruck. Ein kurzer Tipp auf den linken Hörer bringt uns zum Transparenz-Modus.
Transparenz mit Extra und Mikrofonqualität
Positives Detail am Rande zunächst: Die Unterdrückung von gleichmäßigem, rauschähnlichem Lärm gelingt dem Melomania M100 auch im Transparenz-Modus sehr gut. Das sorgt in Zug oder Flugzeug für den verblüffenden Effekt, dass der Störgrund reduziert, die Durchsagen aber bleiben. In Bahnhöfen und Tunneln vermeidet der Transparenzeffekt zudem das sonst gefürchtete hallige Scheppern oder Betonung von scharf klingenden Frequenzbereichen. Leider war die Sprachverständlichkeit von Durchsagen im Transparenz-Modus trotzdem nur durchschnittlich.
Etwas enttäuscht waren wir beim Telefonieren und im urbanen Feldeinsatz: die Sprachverständlichkeit desr M100 gegenüber den Mitbewerbern würden wir nur als durchschnittlich bezeichnen, die sechs Mikrofone sorgten für eine etwas dumpfe Übertragung und zuweilen abgehackte Anfangs-Wörter. Auch blieb die Bluetooth-Verbindung nicht immer stabil, wenn sich spontan ein Hindernis zwischen Sender und Earbuds schob. Dafür klappte die Multipoint-Verbindung mit mehreren Devices absolut problemlos.
So klingen die Cambridge Audio Melomania M100
Den Sitz der Earbuds hatten wir bereits mit dem Noise-Cancelling optimiert, so stand einem Test der Klangqualität nichts im Wege. Und hier lieferte der Cambridge Melomania M100 wirklich ab: seine Wiedergabe war räumlich weit, hatte Drive und Auflösung, ohne nervig zu sein, und klang dabei satt und voll. Eine bessere Klangbalance kann man sich bei einem True Wireless In-Ear nicht wünschen.
Egal ob Pop, akustische Musik, Jazz oder Rock: Die Cambridge Audio Melomania M100 überzeugten in jeder Lebenslage mit natürlichen Klangfarben, feinen Details und einer sehr feinsinnigen Darstellung von Details. Dass letzteres weder zu Aufdringlichkeit noch zu Verlut an Homogenität führte, ließ die Cambridge Audio unter den von uns getesteten TWS klanglich einen Spitzenplatz einnehmen.
Wer noch etwas mehr Stimmwärme und räumliche Distanz im Zischlautbereich wünscht, kann das mit dem 7-Band-EQ ziemlich schnell erreichen.
Hervorragend auch die Basswiedergabe: Bei richtigem Sitz der TWS tief, satt, voll und vom Beat her auf den Punkt, ohne sich im musikalischen Geschehen vorzudrängeln. Freunde von Hip Hop und Techno mögen vielleicht einwenden, dass der Tiefbass nicht ganz so hart und clubmäßig drückt, sondern eher auf der natürlichen Seite bleibt. Das ist aber bei allen anderen Genres von Pop bis Klassik eher ein Vorteil.
Cambridge Audio Melomania M100: Fazit und Alternativen
Der erste TWS mit Noise-Cancelling der englischen HiFi-Marke Cambridge Audio kann im Konkurrenzumfeld zwei bedeutende Kaufargumente ins Feld führen: Der Melomania M100 bietet eine überragend lange Akkulaufzeit und ein Klangerlebnis auf High End Niveau, das bei beinahe jedem Musikgeschmack überzeugt und sich mit dem Equalizer noch anpassen lässt. Auch das ANC gefiel uns sehr gut, selbst wenn es nicht das stärkste am Markt ist. Musikhörer, die maximalen Bassdruck und -härte wollen, könnten etwa die MiiEgo MiiBuds Play oder JBL Tune 230 NC vorziehen. Doch unterm Strich bleibt der Melomania der am besten klingende In-Ear seiner und der nächsthöheren Preisklasse.
Bei den Sekundärtugenden wie Mikrofonqualität, Intensität des Noise-Cancellings, Sporttauglichkeit und Funktionsumfang der App leistet er sich zwar keine groben Schnitzer, muss aber hinter den besten Konkurrenten zurückstehen. Für aktive Hörer sind bei kleineren Abstrichen an die Klangqualität und Verzicht aufs NC die Sennheiser Sport TWS, bei Fokus auf effektives Noise-Canceling die Sony WF-1000XM5 unser Alternativ-Tipp.
Cambridge Audio Melomania M100 kaufen
Technische Daten Cambridge Audio Melomania M100
- Preisempfehlung des Herstellers: 200 Euro
- Bauart: In-Ear
- Wandlerprinzip: dynamisch
- Gewicht: jeweils 6,6 Gramm
- Besonderheiten: Spritzwasserschutz nach IPX4, ANC, bis zu 16 Stunden Akku-Laufzeit Case-unabhängig (10 mit ANC), 49 (bzw. 33) Stunden mit Case
- Mehr unter www.cambridgeaudio.com