STEREO GUIDE Testurteil
+ Ausgewogener, spritziger Klang mit feiner Höhenwiedergabe
+ Knackiger, tiefreichender Bass
+ Hohe Transparenz und großer Detailreichtum
+ Sehr leistungsfähige App
– Nicht unerheblicher Datenhunger
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Klang: Natürlichkeit / Transparenz9
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Klang: Bass / Dynamik9.4
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Praxis / Connectivity9.4
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Preis/Leistung9.0
Schon der Vorgänger Sony WF-1000XM3, den wir allerdings nicht im Test hatten, war ein Bestseller und markierte besonders bei Reisetauglichkeit und Funktionsumfang den Maßstab seiner Klasse. Mit der etwas kompakteren und ergonomischer geformten 4. Generation des Bluetooth-In-Ears namens Sony WF-1000XM4 wollen die Japaner genau diese Stärken im klassischen Einsatzbereich noch weiter verbessern.
So kommt der Sony auf bis zu 12 Stunden Spielzeit bei deaktiviertem Active Noise Cancelling (ANC), ohne einmal im Case nachladen zu müssen. Das adaptive Noise Cancelling weist zwar nach wie vor nur eine Intensitätsstufe auf, kann aber in einem speziellen Modus tieffrequente Windgeräusche besonders effektiv unterdrücken. Und selbst dann stehen immer noch bis zu 8 Stunden Spieldauer auf dem Programm.
Richtig mächtig wird der WF-1000XM4 aber erst durch die für iOS und Android erhältliche Sony Headphones Connect App, die eine überraschende Fülle von Funktionen bietet. Das fängt bei einer optischen Vermessung der Ohrmuscheln und Aktivieren eines 3D-Modus („360 Reality Audio“) an. Und reicht bis zur automatischen Erkennung der Umgebungssituation und Aktivieren der entsprechenden Presets.
Viel Technik, viel High End
Die eigentlichen Wandler sind mit 6 Millimeter Durchmesser im üblichen Rahmen. Sie sollen aber durch einen besonders starken Magnetantrieb und leichte Membranen sehr effizient arbeiten. Das bringt im Tiefbassbereich die notwendigen Reserven, um auch bei starken Störgeräuschen wie Wind genug auslöschenden Gegenschall zu erzeugen.
Sony verweist auf die mittlerweile 40jährige Erfahrung bei In-Ear-Hörern. So wurden unzählige Ohren im Laufe der Entwicklungsstufen vermessen, und die runde Formgebung der WF-1000XM4 ist laut Hersteller die Optimallösung für so viele Träger wie möglich.
Den Sony WF-1000XM4 sind nur Schaumpolster zur Anpassung beigelegt, keine klassischen Gummiadapter. Der verwendete Polyurethanschaum soll eine großflächige Anpassung an die Form des Gehörgangs ermöglichen. Das sorgt für eine gute Schallisolierung, ohne dass der Schallkanal im Ohr drücken könnte. Zusätzlich wird durch den Schaum die Dämpfung tieffrequenter Störanteile verbessert.
Besonderen Wert legt der Hersteller auf die Feststellung, wie aufwändig das aktive Noise-Cancelling der WF-1000XM4 arbeitet. Pro Kapsel arbeiten zwei Mikrofone außen daran, den einfallenden Störschall nach Intensität und Richtung zu analysieren. Zusätzlich gibt es Sensoren im eigentlichen Schallkanal Richtung Trommelfell. Sonys neuer V1-Signalprozessor soll dafür sorgen, dass die Korrektur so latenzfrei wie möglich Schallanteile zur Auslöschung des Lärms berechnet. Sie verlässt sich dabei sowohl auf eine Vorhersage durch Analyse der außen aufgenommenen Störschallanteile als auch eine Regelung aufgrund des tatsächlich im Schallkanal gemessenen Restschalles.
Der Sony weiß, wo Dein Haus wohnt
Die Intensität des Noise-Cancellings lässt sich dabei nicht durch den Benutzer beeinflussen. Vielmehr entscheidet beim Sony der Algorithmus selbst, in welcher Situation sich der Hörer befindet. Dabei berücksichtigt er neben Umgebungsgeräuschen sogar, ob sich der Träger bewegt oder ruhig im Sessel sitzt. Bei entsprechender Freigabe der Ortungsdienste merkt er sich obendrein typische Orte, an denen sich der Träger bevorzugt aufhält. Entsprechend passt der smarte Sony die Charakteristik des Noise-Cancellings an, was insbesondere bei starkem Wind und im Flugzeug spürbar sein soll.
Die aufwändige Technik soll nicht nur dem Active-Noise-Cancelling, sondern auch der Sprachqualität zugute kommen. So kann das Array aus mehreren Mikrofonen ziemlich gut filtern, aus welcher Richtung ein Schallereignis kommt, und Umgebungsgeräusche vom Telefongespräch fernhalten. Dafür baut Sony zusätzlich zu den vier Mikrofonen pro Paar Ohrhörer auch Knochenschallsensoren ein. Die sollen erkennen, wann der Träger wirklich spricht und was er sagt. Wer die Speak-to-Chat-Funktion aktiviert, braucht nur etwas zu sagen, etwa Bekannte begrüßen – schon stoppt die Musikwiedergabe und das ANC schaltet auf den Transparenzmodus um. So kann man jederzeit ohne Umstände ein Gespräch beginnen.
Schließlich kann man mit dem WF-1000XM4 auch den Sprach-Assistenten des gekoppelten Smartphones oder Alexa – soweit ein Account vorhanden ist – per Touch-Befehl oder Wake-Word aktiveren.
Konnektivität und Zuspielung
Wie bei TWS üblich, können die Sony WF-1000XM4 Signale nur per Bluetooth empfangen. Der Hersteller verweist aber auf die neueste Chip-Technologie und die Fähigkeit des Earbud-Paares, den jeweils besser mit dem Sender verbundenen Ohrhörer ohne Verzögerung zum Empfang aller Signale einzusetzen. Der dem Smartphone abgewandte Ohrhörer wird dann über sein Pendant mit Signalen versorgt. In der Headphones Connect App kann man bei kürzen Abständen zwischen Ohrhörern und Smartphone die Verbindung für optimale Audio-Übertragung einstellen.
Die Bluetooth-Variante 5.2 entspricht den neuesten Standards. Neben dem Standard-Codec SBC beherrscht der Sony auch das für Apple-User wichtige, weil qualitativ bessere AAC. Außerdem verspricht der Sony-eigene LDAC-Codec maximale Datenrate und die Übertragung von Frequenzen weit über dem Hörbereich bis 40 kHz. Das geht allerdings nur mit den wenigen kompatiblen Geräten wie etwa den Sony-Smartphones.
Sony WF-1000XM4: Sonderbehandlung für Sony Smartphones
Codecs aus der aptX-Familie beherrscht der Sony dagegen nicht, was Android-User ohne Sony-Phone mit höheren Klangansprüchen enttäuschen könnte. Immerhin bietet er mit dem zuschaltbaren DSEE Extreme eine Echtzeit-Aufbereitung komprimierter Musik-Signale.
Neigt sich die recht lange Standzeit der Earbuds dem Ende zu, müssen sie zum Nachladen ins Case. Das ist erstaunlich leicht und zumindest kleiner als der Vorgänger, und bietet weitere zwei Ladezyklen für die Akkus an. Erst nach bis zu 24 Stunden mit aktiviertem ANC muss das Trio an den Strom, wo es per USB-C in 1,5 Stunden wieder komplett voll sein soll. Damit keine Energie vergeudet wird schalten sich die beiden Sony WF-1000XM4 sogar automatisch ab, wenn man sie aus den Ohren nimmt.
Das kann die Sony-App
Die Sony Headphones Connect App kommt mit einem ganzen Koffer voller Funktionen. Sie ermöglicht sogar eine spezielle 360-Grad-Klanfeldganpassung an die Ohren des Trägers, wenn der sie mit dem Smartphone aufnimmt und die Fotos in der App hochlädt.
Wer es nicht ganz so überkandidelt mag oder Datenschutzbedenken hegt, der findet zur individuellen Sound-Anpassung der In-Ears nach konventioneller Art auch einen Equalizer und diverse Klangvoreinstellungen für spezielle Vorlieben.
Die App hält als Appetithappen eine Demo für 3D-Sound bereit und wirbt für verschiedene immersive Musik-Player Apps wie 360 by Deezer, nugs.net oder Tidal bereit. Auch davon sollte man sich nicht zu viel erwarten. Das größte Manko ist und bleibt nämlich die Im-Kopf-Lokalisation von Schallereignissen. Und das stört nun mal am meisten bei Solo-Stimmen oder Instrumenten, die üblicherweise bei der Abmischung in der Mitte der Klangbühne platziert werden. Doch da stoßen aus psychoakustischen Gründen auch Kunstkopf-Aufnahmen an ihre prinzipbedingten Grenzen.
Steht die Phantomschallquelle genau mittig vor dem Zuhörer, haben alle drei zur Ortung nötigen Parameter identische Werte für beide Übertragungs-Kanäle: Lautstärke, Phasenlaufzeit und Frequenzgangsbeeinflussung durch die Außenohrübertragungsfunktion sind in diesem Fall identisch und die Leadvocals bleiben beim Kopfhörer dann im Kopf. Deshalb wählten die findigen Entwickler auch ein Hör-Beispiel mit elektronischer Instrumental-Musik und Toneffekten von den Seiten. Die stehen dann tatsächlich weiter vom Kopf entfernt im virtuellen Klangraum.
Audiophiler Klang mit adaptivem Noise-Cancelling?
Wie man seinen Ohrhörer bettet, so hört man. Wie gut, dass Sonys cleveres ANC und Bauform nebst Polster dafür sorgen, dass der WF-1000XM4 im Test-Betrieb kein lästiges Druckgefühl erzeugt. Der Lärm wird gut heruntergedämpft, der In-Ear sitzt bequem und erfreut mit einer ausgewogenen Abstimmung, die sich ebenfalls für lange Hörsessions eignet.
Obwohl der Sony mit Detailreichtum, Transparenz und guter Obertonauflösung aufwartet, vermeidet er selbst bei Ausnutzung seiner Pegelreserven jegliche Schärfe. Den Höhen haftet etwas seidig-elegantes an. Mit einer begeisternden Lässigkeit reproduziert der Japaner Impulse. Der Bass reicht tief in den Frequenzkeller und verkneift sich Effekthascherei durch einen aufgeblähten Oberbass. Daher kommen Bass Drums oder Beats so richtig trocken, sauber und knackig. Mit seinem harmonischen, breitbandigen Klangtuning eigent sich der Sony WF-1000XM4 für sämtliche Musikarten. Wegen seiner Präzision und Auflösung bietet sich der In-Ear auch gerade für Klassik-Freunde und Jazz-Fans an.
Test-Fazit und Alternativen zum Sony WF-1000XM4
Für mobil orientierte Musikhörer, welche die vielen nützlichen plus einige zum Experimentieren einladende Funktionen des Sony WF-1000XM4 auskosten, ist er als Gesamtpaket mit der Headphones Connect Bluetooth App in seiner Preisklasse kaum zu schlagen. Der Preis für die schöne neue Welt des Kopf-Hörens ist, dass der Besitzer seine Datenschutz-Bedenken überwindet und sich voll und ganz in die Hände der 360-Grad-Rundum-Verwöhnpackung von Sony begibt.
Technische Daten Sony WF-1000XM4
- Preisempfehlung des Herstellers: 280 Euro
- Bauart: In-Ear
- Wandlerprinzip: Dynamisch
- Gewicht: je 7 g, Case 41 g
- Besonderheiten: Noise-Cancelling mit Anti-Wind-Funktion, wasserabweisend nach IPX4, App-Steuerung
- Mehr unter: www.sony.de
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