STEREO GUIDE Testurteil
Die Bluetooth-Boxen Klipsch The Nines können die ganze HiFi-Anlage ersetzen. Sie spielen basskräftig und dynamisch in großen Räumen.
The Good
- sehr bassstark und dynamisch
- spielt ausgewogen und entspannt
- sehr gut in großen/schwierigen Räumen
- hervorragendes Anschluss-/Bedienkonzept
The Bad
- etwas flache Räumlichkeit - benötigt etwas EQ-Einstellung und Platzierungsaufwand
-
Klang: Neutralität / Transparenz8.8
-
Klang: Bass / Dynamik9.7
-
Klang: Raumabbildung9.1
-
Praxis / Connectivity9.6
-
Preis / Leistung9.6
Der Vintage-Look sollte nicht täuschen: Die 2-Wege-Aktiv-Lautsprecher Klipsch The Nines sind ganz auf der Höhe der Zeit. Sie vereinen Bluetooth-Verbindung, USB und viele weitere Eingänge mit HDMI. Das macht die Kompakt-Boxen zu High-End-TV-Lautsprechern für anspruchsvolle Stereo-Freunde. Sogar ein Plattenspieler lässt sich anschließen. Wie das alles funktioniert, verrät der Test.
Aus der Klipsch Heritage Wireless Serie haben wir bereits die kleinen The Fives, The Fives McLaren Edition und die mittelgroßen The Sevens getestet. Letztere boten sich als Stereo-Alternative zur Soundbar am TV besonders an. Warum bringt der Hersteller jetzt also eine noch größere Variante namens The Nines?
Ganz klar: Um auch diejenigen, die Dynamik und Bassgewalt eines Standlautsprechers verlangen oder deren für Sevens zu groß ist, das Konzept schmackhaft zu machen. In jedem Fall geht es optisch ziemlich retro zu: Die XL-Kompaktboxen gibt es wahlweise in schwarzer Esche oder in Walnuss Echtholzfurnier. Beide versprühen den Charme des „Mid-Century-Designs“ der 1950er Jahre, sind aber gut, wenn auch nicht wirklich highendig verarbeitet.
Wer ein breiteres Lowboard hat, wird mit der optischen Integration in den Raum sehr zufrieden sein. Mit gerade einmal 24 Zentimetern Breite und dem beigefarbenen Stoffbezug fügen sich The Nines recht gefällig in den Raum ein. Einzig die Höhe von knapp einem halben Meter sollte man bedenken, ehe man sie auf ein Regal oder nicht so flaches Lowboard stellt.
Think big mit vielen Möglichkeiten
Am Bedien- und Anschlusskonzept hat sich zu den Sevens nichts geändert: per Bluetooth, HDMI (ARC) und Phono-Anschluss fließen Signale neben USB, analogem und optischem Eingang hinein. Das Bedienfeld mit zwei Drehrädern für Quelle und Lautstärke ist in haptisch hochwertigem Metall gehalten und unauffällig-praktisch, wenn auch bei unserem Testmuster nicht 100% passgenau in die Master-Box integriert.
Der HDMI-Anschluss ist ein HDMI (ARC) benötigt also einen Fernseher als Zuspieler. Dessen Fernbedienung steuert dann auch die Lautstärke mit. Zum Umschalten auf eine der anderen Quellen muss man wieder zur Box, IR-Fernbedienung oder zur App greifen.
Per 3,5-mm-Klinken-Eingang oder per RCA/Cinch doch klassische Quellen an. Letzterer lässt sich in einen Phono (MM) Eingang verwandeln. Plattenspieler ohne eigenen Vorverstärker können hier standesgemäß geerdet ohne weitere Zusatzkästen angeschlossen werden.
Für alle drei Digitaleingänge steht ein HiRes-DAC zur Verfügung. Der verarbeitet Auflösungen bis 192 kHz/24 Bit problemlos. Computer oder Server werden per USB-B-Eingang treiberlos angeschlossen. Wer ältere Fernseher, CD-Player der Streaming-Bridges nutzt, dockt am optischen Toslink an. Letzteres wäre auch eine Antwort auf die Frage, warum die Nines keinen Netzwerkanschluss besitzen und damit weder Airplay noch Google Chromecast beherrschen. Der Hersteller wollte wohl bewusst eine Hardware einbauen, die nicht mit den eingebauten Netzwerkbestandteilen veraltet. Freundlicherweise legt der Hersteller die Anschlusskabel für HDMI und USB-A auf USB-B im Lieferumfang bei.
Vollaktiv mit einseitiger Elektronik
Der Bass-Töner mit 21 Zentimetern durchmessender Membran füllt die Breite des Gehäuses von 24 Zentimetern fast komplett aus. Als Material kommt im Gegensatz zu den kleineren Modellen mit gehärteter Zellulose ein Verbundwerkstoff zum Einsatz. Der Grund: Die Größe der Membran verlangt mehr Härte als die kleineren Heritage-Lautsprecher, um nicht in Partialschwingungen aufzubrechen. Laut Klipsch führt das – gewollt – dazu, dass die großen Nines den Schall etwas stärker richten als die Sevens.
Die Formgebung des Hochtonhornes wurde entsprechend angepasst und entspricht nicht dem Horn der Sevens. Klipsch nennt diese Form Tractrix und gibt einen Sweet-Spot von 90 x 90 Grad Abstrahlung bis 15kHz an. Die noch stärkere Bündelung ist im Hinblick auf einen Einsatz in noch größeren, noch weniger bedämpften Räumen oder bei noch größeren Hörabständen hin konzipiert worden. Eine Titankalotte treibt das gigantische Hochtonhorn mit 22 Zentimetern Hornmund.
Zusammen mit einem ziemlich erwachsenen Luftvolumen von geschätzten 24 Litern sorgt eine rückwärtige, rechteckige Reflexöffnung für mehr Tiefbass. Die sieht ebenfalls aus wie ein Horn. Das dient hier aber nicht der Schallbündelung (Was bei so tiefen Frequenzen ohnehin nicht möglich wäre). Sie dient vielmehr der kompressions- und verzerrungsfreien Abgabe der Schwingungen an die Außenluft.
Wie in allen Vollaktiv-Modellen von Klipsch sind Vier Endstufen-Kanäle in der Master-Box verbaut. Zweimal jeweils 100 Watt für die Bässe, zwei 20-Watt-kanäle für die Hornhochtöner. Die Slave-Box muss mit einem mitgelieferten vierpoligen Spezialkabel verbunden werden. Welche Box welchen Kanal spielt, lässt sich per Schalter auswählen. Die Kabellänge zwischen den beiden Lautsprechern lässt sich von vier Metern mit einer Verlängerung auf sechs Meter bringen, was selbst für größere Regal-Systeme genügen sollte. Beide Kabel sind ebenfalls im Lieferumfang enthalten.
App schnell, aber mit Hindernissen
Die Klipsch Connect App für iOS oder Android steuert alle Funktionen der Heritage The Nines. Dafür wird eine aufgebaute Bluetooth-Verbindung genutzt, die Lautsprecher benötigen keinen Netzwerkanschluss. In der Praxis funktionierte die Verbindung und Einrichtung über die App sowohl mit Android-Geräten wie mit iPhones erstaunlich problemlos. Lediglich während des laufenden Musikbetriebs über Bluetooth verlor die Steuer-App manchmal den Kontakt. Wer die App also als Fernbedienung für die Klipsch Aktivboxen nutzen will, sollte immer erst einen laufenden Bluetooth-Stream stoppen.
Der Funktionsumfang geht über das Ersetzen der Fernbedienung aber weit hinaus. Viele wirklich praktische Einstellungen gibt es exklusiv über die App. So kann zum Beispiel der Basspegel 3stufig an den Aufstellort angepasst werden: Freistehend, Wandnah oder in der Ecke.
Bluetooth-App mit Equalizer
Ein zusätzlicher 3-Band-Equalizer sorgt für das Feintuning. Denn die charakterische Schallbündelung der Hochtonhörner verlangen dann evtl. nach einer leichten Absenkung oder – öfter – Anhebung der Höhen. Das gilt für die großen The Nines mit ihrer stärkeren Bündelung noch mehr als für The Fives und The Sevens.
Weitere Funktionen sind ein Bass Boost (der unserer Erfahrung nach allerdings oft zu fett klingen dürfte), ein Nachtmodus mit Bassbegrenzung und ein 2.1-Betrieb mit einpegelbarem Subwoofer. Das funktioniert übrigens auch mit der mitgelieferten Fernbedienung.
Sollten mal sowohl Fernbedienung als auch Smartphone nicht greifbar sein, kann man einfach zum Drehregler der Masterbox gehen und Lautstärke wie Quellwahl von Hand regeln. Über die LED-Reihe ist in beiden Fällen für ein optisches Feedback gesorgt. Das Konzept ist im wahrsten Sinne des Wortes kinderleicht zu bedienen. So einfach wünschen wir uns jede HiFi-Komponente!
So klingen die größten Wireless-Boxen von Klipsch
Zugegeben, bei den etwas kompakteren Klipsch The Sevens kamen unser Test-Wohnzimmer und die Pegeltoleranz unserer Nachbarn bereits an ihre Grenzen. Was sollten da die Nines noch draufsetzen können?
Im Betrieb bei Zimmerlautstärke sind die Unterschiede eher nicht im dynamischen Bereich zu suchen. Die Nines spielten so fokussiert, locker, frei und schnell wie ihre kleineren Brüder. Eine Schippe drauf legten sie im Tiefbass, der hier wirklich Souveränität und Tiefe einer ausgewachsenen Standbox erreichte. Auch klang die Abbildung eine Spur direkter, was sich in einer deutlich verbesserten Klarheit ausdrückte, sobald der Hörer weiter entfernt saß. Wir haben es bei etwa vier Meter probieren können und müssen sagen: Hier lohnt sich das Upgrade auf die Nines allein schon wegen der Deutlichkeit und Verständlichkeit, die man gewinnt.
Dafür muss man sie aber auch etwas genauer ausrichten, und vielleicht ein wenig den app-eigenen 3-Band-Equalizer bemühen. Das ist besonder sder Fall, falls die Wiedergabe etwas matt oder zu bassig klingen könnte. Wir waren aber erstaunt, wie gut sich das korrigieren lässt, selbst wenn die großen Nines in den Raumecken Platz nehmen mussten.
Bass satt mit Pop und Rock im Hörtest
Der Hörtest wurde dann fortgesetzt zu einem Zeitpunkt, an dem alle Nachbaren ausgeflogen waren. Und, was soll man sagen? Die Nines liefern Pegel und Dynamik jenseits jeglicher Vernunft. Ihr Tiefton bei Pink Floyds „The Wall“ blieb immer eine Spur auf der souveränen und fetten Seite, wirkte aber nie aufgedunsen oder langsam. Im Gegenteil, es war eine pure Freude, den XL-Boxen beim Austesten neuer Grenzen zuzuhören. Egal, wie man man hörte, das Klangbild wurde nie lästig, sondern blieb immer sauber, ja schon fast eine Spur wärmer, als man es von entsprechenden PA-Speakern gewohnt ist.
Direktes, impulsorientiertes Lauthören gelang ihnen ebenso mühelos wie lässige Lounge-Musik, die über die Hörner erstaunlich entspannt klang. Allenfalls bei Singstimmen konnte man manchmal eine leichte Verengung wahrnehmen, aber da reden wir wirklich über Feinheiten, die allenfalls Fans von Chormusik oder Jazz-Sängerinnen auffallen werden.
Einen kurzen Durchgang mit Kinofilmen konnten wir uns natürlich nicht verkneifen. Hier ließen die Klipsch The Nines zwar echtes Surround-Gefühl vermissen und fächerten das Klangbild eher wie eine große Verbreiterung des Flatscreen-TVs auf. Dafür lieferten sie einen geradezu furchterregenden Tiefbass, dem auch bei heftigen Actionszenen niemals die Puste ausgeht.
Fazit und Alternativen: Klipsch The Nines oder besser The Sevens?
Das Gesamtkonzept mit App-Steuerung, Phono, Bluetooth und HDMI (ARC) gibt es so nur bei Klipsch. Auch jenseits der Konnektivität findet man große, mit 8-Zoll-Bässen ausgestattete Aktivboxen mit Hornhochtöner auf dem Markt sonst praktisch nicht. Wer also die Bassgewalt einer Standbox will und einen großen, vielleicht noch wenig bedämpften Raum zu bespielen hat, für den sind die Klisch The Nines praktisch alternativlos.
Unter normalen Umständen wäre die hausinterne Bluetooth-Konkurrenz der Klipsch The Sevens zu überlegen. Die ist günstiger, klingt etwas sanfter und räumlicher, auch die Aufstellung ist deutlich einfacher und neigt weniger zum Dröhnen. In den meisten Fällen würden wir also zu den Sevens raten, die Nines sind dagegen in folgenden Spezialfällen die bessere Wahl: Erstens, wenn maximale Bassgewalt gefragt ist, etwa bei Actionfilmen oder elektronischer Musik. Zweitens, wenn der Raum mehr als 35 Quadrameter groß oder sehr wenig bedämpft ist oder wenn drittens der Hörabstand deutlich mehr als 3 Meter beträgt.
Technische Daten Klipsch Heritage The Nines
- Preisempfehlung des Herstellers: 2000 Euro
- Abmessungen (B x H x T): 24 x 48,5 x 34 cm
- Gewicht: 12,8 kg (Masterbox)
- Besonderheiten: HDMI-ARC, Bluetooth 5.0, USB-B, Phono/Line- und AUX-Eingang, optischer Digital-Eingang, Sub-Out, App-Steuerung, Ortsfilter, Verbindungskabel 4 m + 2 m mitgeliefert
- Mehr unter: klipsch.com