Immer mehr Hifi-Komponenten werden vom Hersteller mit den Labels „Roon Ready“ oder „Roon Tested“ geschmückt. Die Software stieg in der Szene der Computeraudio-Spezialisten zu einer Art Kult auf. Doch was ist wirklich dran am Kult um Roon? Was ist das eigentlich für eine Software und warum sollte man dafür so hohe Gebühren bezahlen?
Funktionsumfang von Roon
Roon ist eine Musikserver-Software, die Musikdaten von einem zentralen Massenspeicher oder einem Streamingdienst ordnet und über Hifi-Komponenten abspielt. Roon schickt Datenströme so an verschiedene Hifi-Endgeräte, dass diese sie direkt in der Funktion eines Netzwerk-DACs in Musik umsetzen können. Für den Anwender ist sie aber viel mehr als das! Denn eigentlich ist Roon eine Player/Server-Software, eine Musik-Wissensdatenbank und ein highendiges Multiroom-System in einem.
Oder wem das zu theoretisch ist: Man stelle sich vor, alle nur denkbaren Funktionen von iTunes, der Wikipedia und einem System wie Sonos hätte man in einem, und das noch mit deutlich verbesserten Möglichkeiten!
Für den Anwender, der noch keine Erfahrung mit Roon hatte, gleicht die Oberfläche, die man idealerweise auf einem Tablet (iOS, Windows oder Android) bedienen sollte, tatsächlich auf den ersten Blick dem alten iTunes mit Elementen der Wikipedia. So hat man eine große Aufstellung aller Plattencover der eigenen Musiksammlung, die man nach beliebigen Kriterien filtern und sortieren kann. Klickt man auf ein einzelnes Album, sind die Namen von Musikern, Komponisten und Bands als Links hinterlegt, zu denen es jeweils biographische Hintergrundartikel sowie Diskographien gibt und weitere Links zu beteiligten und stilistisch ähnlichen Musikern.
Das unterscheidet Roon von anderen Musikserver Systemen
Wer das Streaming von einem NAS-Server mit den üblichen Upnp-Apps wie MConnect gewohnt ist, kennt die relativ strikten Sortierungskriterien und -hierarchien. Informationen, die nicht als Meta-Informationen (Tags, also z.B. Interpret, Albumname etc.) mit den Musikdaten verbunden worden sind, existieren für das System auch nicht. Alben oder Tracks, die solche Informationen nicht enthalten oder mit unlogischen Daten abgelegt sind, bleiben im dümmsten Fall unsichtbar. Gerade wer eine größere Sammlung auf dem Server hat, verbringt meist nicht wenig Zeit mit Software wie MP3Tag und dem Suchen nach den richtigen Datensätzen für jedes Album. Dazu gehören auch die Albumcover.
Wer auf der anderen Seite den Komfort der Apps von Streamingservices wie Apple Music, Spotify oder Tidal gewohnt ist, macht sich darüber womöglich gar keine Gedanken. Hier stimmen die Daten und Cover. Doch wiederum ist man an das Sortierungssystem der Software gebunden, Querverbindungen nach Sub-Genres, beteiligten Musikern, Komponisten von einzelnen Tracks gibt es in dieser Form nicht. Automatische Vorschlagsfunktionen sind zwar vorhanden, doch funktionieren meist eher nach dem Motto „Was andere Hörer, die diesen Track mochten, noch so gehört haben“.
Lokaler Musikserver und Wissensdatenbank für Streaming-Service
Roon verbindet von der Bedienung und der Katalogisierung der eigenen Musiksammlung im Prinzip beide Welten. Die Musiksammlung wird in der Coverübersicht dargestellt, als handele es sich um die lokal gespeicherten Alben eines privaten Servers. Doch dahinter liegen nicht nur umfangreiche Meta-Datenbanken von Roon, die weit mehr Information zu jedem Track parat haben als die Metadaten eines normalen Streaming-Servers. So kennt das System nicht zur zu jedem Track die Komponisten, beteiligte Musiker, Entstehungsjahr sowie Produzenten, sondern ergänzt diese Informationen auch vollautomatisch, egal bei wievielen Alben. So kann es Querverbindungen anbieten wie kein anderes Serversystem, indem es etwa mehrere Aufnahmen ein- und desselben Musikstückes einfach auflistet.
Zu jeder beteiligten Person, sei es Musiker, Komponist oder Produzent, hält das System dazu biographische Daten, Beteiligungen an anderen Alben sowie Hintergrundinformationen in Textform bereit. Hier kommt der Part „Musik-Wikipedia“ ins Spiel, das sich Roon eben auch nennen dürfte.
Dazu kommen Funktionen, die man sonst nur von den besten Streamingdienst-Apps wie Spotify kennt: eine automatische Playlist, die sich „Roon Radio“ nennt und die nicht nur nach Algorythmen eine unendliche Playlist generiert, sondern auch Genre-Einordnungen, technische Analysen und die Vorlieben des Hörers mit einfließen lässt.
Das Reservoir an Musikstücken ist dabei unerschöpflich, zumindest wenn man Roon mit einem der aktuell verfügbaren Streaming-Services verbindet. Von Tidal oder Qobuz kommen Millionen Musikstücke und Alben. Und Roon kennt sie alle.
Das kostet die Software
Die Software ist allerdings nicht umsonst, sondern jeder Nutzer muss eine jährliche Gebühr bezahlen. Sie beträgt zur Zeit 150 Dollar im Jahr, oder man erwirbt eine lebenslange Lizenz für 830 Dollar. Eine Probephase ist aber gratis. Beim Kauf bestimmter Roon-Devices verlängert sich die kostenlose Probephase zudem nicht unerheblich.
Kosten für Musik-Downloads oder das Abo bei einem Streaming-Dienst (empfohlen) kommen da natürlich noch hinzu.
Das braucht man für Roon
Zum Nutzen von Roon braucht man neben einer Software-Lizenz im Abo noch zwingend die entsprechende Computer- sowie Hifi-Hardware und das Netzwerk. Heißt in der Praxis: Server/Computer, Fernbedienungs-Device (Smartphone, Tablet) und wenigstens ein kompatibles Endgerät.
Es gibt mittlerweile sehr viele Netzwerkstreamer auf dem Markt, die „Roon Ready“ sind. Roon erkennt diese, sobald sie sich im selben Netzwerk befinden, und sie können direkt als Wiedergabezone ausgewählt werden. Bei WLAN-Lautsprechern und All-in-One-Systemen ist die Vielfalt noch nicht ganz so groß.
Roon Core – der Musikserver ist das Herz
Die zentrale Musikserver-Software namens Core katalogisiert die Musik und bereitet Streams an die einzelnen Geräte vor. Die Software läuft sowohl auf einem stationären Mac-Rechner wie auf einem PC oder einem dazu auserkorenen Server. Das kann ein leistungsstarkes NAS-System, ein nur zu diesem Zweck aufgebauter Mini-Server, oder auch ein fertig für Roon konfigurierter Spezialserver wie der Roon Nucleus sein.
Welche Server für Roon geeignet sind und auf was man beim Kauf achten sollte, haben wir in einem eigenen Ratgeber „Den besten NAS-Server für Roon auswählen“ ausführlich beschrieben.
Remote – die Komfort-Fernbedienung
Die Darstellung der Alben der Musiksammlung und das Durchsuchen derselben kann auf einem Computer (Mac, Windows, Linux) erfolgen, komfortabler geht es aber auf einem Tablet wie dem iPad. Dazu muss die Roon Remote App dort installiert sein, und das Gerät sollte ebenfalls nicht zu alt sein und entsprechenden freien Speicherplatz haben. Die meisten Funktionen sind auch auf einem Smartphone verfügbar, die Darstellung ist wegen des kleineren Bildschirms aber lange nicht so komfortabel.
Roon Endgerät/Renderer
Die von Roon aufbereiteten Musikdatenstrom werden im Normalfall an ein im Netzwerk angeschlossenes Hifi-Gerät gesendet. Das wiederum nach kurzer Installation immer als Zielgerät in der Software auftaucht, sofern es im Netzwerk vorhanden ist.
Ist ein gewünschtes Endgerät nicht von Roon zertifiziert – und das trifft tendenziell für einige kleine Onebox-Speaker zu – lässt sich der Datenstrom noch über die Umwege Airplay 2 oder Google Chromecast zum Endpunkt senden.
Diese Endgeräte sind voll Roon-kompatibel
Roon-kompatible Endgeräte findet man zumeist bei hochwertigen Netzwerk- und AV-Komponenten, über 75 Hersteller bieten das mittlerweile an. Insbesondere bei Verstärkern mit Streaming-Komponenten, Standalone-Netzwerkplayern, D/A-Wandlern und AV-Receivern ist bei den bekannten Herstellern die Durchdringen mit Roon-Kompatibilität mittlerweile erstaunlich Bei Mobilgeräten, smarten Speakern und Aktivboxen ist die Verbreitung noch nicht ganz so gut, verbessert sich aber zunehmend.
Bei den verbreiteten Multiroom-Systemen bieten die Komponenten von Bowers&Wilkins Formation (Leider eine Ausnahme: Zeppelin Gen 4), Bluesound und Denon Home jeweils volle Roon-Kompatibilität, und zwar alle zu dem jeweiligen System kompatiblen inklusive der kleinsten Zonen-Onebox und den kompatiblen Komponenten der Partnerfirmen wie Marantz und NAD. Sonos bietet mittlerweile eine ähnliche Funktion, ohne dass es groß angekündigt worden ist.
Bei digitalen Aktivboxen der High End Klasse sollten sich Roon-Interessierte im Portfolio von KEF, Cabasse, Dynaudio (Focus Serie), Kii Audio, Devialet, Piega oder Q Acoustics umschauen, Dali, Elac sowie Mission bieten eine indirekte Kompatibilität über die Wireless Hubs ihrer Drahtlos-Stereoboxen. Und auch bei Bowers&Wilkins gibt es in der Formation Serie roon-kompatible Aktivboxen namens Duo.
STEREO GUIDE Ratgeber: Diese Multiroom-Boxen von Bluesound&Co sind Roon kompatibel
Link zu Roon: Alle kompatiblen Endgeräte im Überblick
Daher holt sich der Server die Musik
Da Roon selbst weder einen Streamingdienst betreibt noch Musik zum Download anbietet, müssen die Daten irgendwoher kommen. Die wichtigsten Quellen sind
- eine lokale Festplatte am Roon Core Server oder ein Server mit Dateien im Netzwerk
- ein Streamingdienst (z.Zt. sind nur Tidal und Qobuz in Roon eingebunden)
- ein Cloud-Speicher des Benutzers (z.Zt. ist das nur mit Dropbox möglich)
Das smarte an Roon: Es durchsucht nicht nur riesige Datenmengen in den extra freigegebenen Ordnern des lokalen Speichers, der Server oder des Cloud-Speichers im Netzwerk, sondern erkennt auch automatisch die dort abgelegten Alben, ergänzt Meta-Daten, Covers und Informationen, unabhängig davon wie sauber die Dateien getaggt worden sind.
Zusätzlich wird das quasi unendliche Reservoir eines angeschlossenen Streamingsdienstes wie Tidal oder Qobuz herangezogen, Alben aus dieser Quelle lassen sich ebenso durchsuchen und finden wie die lokal verfügbaren. Der Nutzer kann sogar Musik vom Streamingdienst virtuell seiner Sammlung hinzufügen, und Roon behandelt dann sämtliche Album wie eine einzige große Sammlung des Nutzers, bei der es nicht mehr auf die tatsächliche Speicherung der Daten ankommt.
Das sind die Grenzen/Nachteile von Roon
Der Funktionsumfang von Roon klingt gigantisch, und auch Bedienung und Qualität sind erstaunlich. Nichtsdestotrotz hat natürlich auch dieses System seine Nachteile, die es für viele Musikhörer unattraktiv machen.
Größtes Hindernis wird für viele neben den Abo-Kosten für die Software selbst die fehlende Kompatibilität zu weit verbreiteten Streamingdiensten wie Apple Music, Spotify oder Amazon sein. Die ist auch in naher Zukunft zumindest bei diesen drei Beispielen nicht zu erwarten, die Deezer-Fans hoffen dagegen Gerüchten zufolge.
In den frühen Jahren von Roon als reines Software-Produkt waren das nicht ganz triviale Level an IT- und Netzwerkkenntnissen, das zur Inbetriebnahme erforderlich war, für viele ein abschreckendes Moment. Das hat sich mittlerweile stark gebessert. Wer Roon mit möglichst wenig Einrichtungsaufwand und Stress betreiben will, dem sei entweder die Roon Software für PC oder Mac mit lokaler Speicherung der Musik empfohlen, oder die Anschaffung eines vorinstallierten Roon Servers wie dem Roon Nucleus. Diese sind zwar etwas teurer, ersparen dem Benutzer aber auch viel Zeitaufwand bei der Einrichtung und Fehlersuche. Mit Grundkenntnissen in Netzwerktechnik ist aber auch die Installation von Roon auf einem entsprechend ausgerüsteten Netzwerkserver/NAS kein Hexenwerk mehr. Schwierig ist da eher die Auswahl eines solchen, wozu wir einen Ratgeber vorbereiten.
Noch einen Punkt sollte man vorher bedenken: Roon ist als Musikserver-System im heimischen Netzwerk mit ständiger LAN-Verbindung zwischen Server, Remote und Endgerät konzipiert. Fehlt die Verbindung zum eigenen Server mit seiner gesamten Verwaltungsfunktion, kann man Roon nur über den Umweg des Roon ARC nutzen. Das betrifft alle mobilen Anwendungsfälle wie etwa das Hören vom Smartphone unterwegs oder im Auto. Mit ARC wird der hauseigene Roonserver quasi zum Streamingdienst. Die Hürden an die Netzwerktechnik sind aber nicht trivial, und nicht immer ist Roon ARC zum Laufen zu bringen.