STEREO GUIDE Testurteil
Der Name steht für die größte Pleite Finnlands: Zwei Spaßvögel reanimieren mit dem Valco VMK20 ANC-Kopfhörer eine Marke mit derbem Humor. Der Kopfhörer ist allerdings ernsthaft gut.
Vorteile
- stimmiger, eher warmer Klang
- sehr satter und konturierter Bass
- ANC wirkungsvoll bei tieffrequenten Umgebungsgeräuschen
- Bluetooth- und Kabel-Betrieb mit ANC möglich
Nachteile
- etwas eingeschränkte Höhenauflösung und Transparenz
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Klang: Natürlichkeit / Transparenz7.2
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Klang: Bass / Dynamik8.3
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Praxis / Connectivity8.5
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Preis / Leistung9
2022: Ein falsches Wort zur falschen Zeit und ein Sturm bricht herein. Die Cancel Culture schüchtert alle ein. Alle? Nein, in einem kleinen Land im hohen Norden lebt ein alter weißer Mann. Der heißt Raimo Valconen. Er schämt sich nicht für seine Laster. Nein, er lässt sie in der Werbung und PR zum Valco VMK20 genauso demonstrativ heraushängen wie seinen Bierbauch.
Valconen verkörpert aber nur den fiktiven CEO der jungen Marke. Die eigentlichen Gründer sind Henri Heikkinen und Jani Rajaniemi, die sich ebenso selbstbewusst wie selbstironisch im PR-Text „als zwei ungebildete Idioten“ bezeichnen. Die beiden fahren konsequent die Macho-Schiene im Marketing ihres Noise-Cancelling-Headsets. Dabei lassen sich mit sichtlicher Wonne kein Fettnäpfchen aus.
Traditionsmarke mit Skandal-Potenzial
Das Beste an der neuen Kopfhörer-Marke: Ihr Name geht auf den größten Korruptionsfall in der Geschichte Finnlands zurück: Die ursprüngliche Firma Valco existierte von 1976 bis 1979. Dabei handelte es sich um eine von der finnischen Regierung finanzierte Fernsehröhrenfabrik, die gemeinsam mit einem japanischen Unternehmen betrieben wurde. Sie produzierte aber in Wirklichkeit gar keine Röhren und es kam zum großen Knall, dessen Kosten wie im Cum-Ex-Skandal am Ende an den Steuerzahler weitergereicht wurden.
40 Jahre später war der Name frei und reif für einen Neustart. Auch wenn die nonkonformistische Kampagne in ihrer Mainstream-Verweigerung genauso durchgestylt und schnell auch berechenbar wie eine der üblichen Hochglangkampagnen daherkommt: Erfrischend ist sie allemal. Schließlich hört der schnodderige Stil am Produkt nicht auf. Schlüpfrig, ja wollüstig klingt das Sprachfeedback im Valconen-Style nach dem Einschalten: „Power On“. „Pairing“ kündigt die Paarungsbereitschaft über Bluetooth an und „Connected“ lässt sich der Sprecher richtig auf der Zunge zergehen.
Gediegenes Finish und nützliche Features
Wer jetzt voreilig folgert, dass nur überflüssige oder alberne Produkte mit einer derart überdrehten Kampagne daherkommen, der wird durch den Valco-Hörer angenehm überrascht. Trotz seines moderaten Preises beeindruckt der Finne durch gediegenes Finish. Die Hörmuscheln des Over-Ears kleiden sich in einen Stoffüberzug. Die Polster sitzen angenehm auf der Haut und dichten gut ab. Zum Lieferumfang des Faltbügel-Kopfhörers gehört ein Hardcase, Lade- und Verbindungs-Kabel plus ein Air-Plane-Adapter für On-Board-Entertainment in Flugzeugen.
Die Bedienungsorgane zum Einschalten und zur Lautstärkeregelung sitzen unten an der rechten Muschel und lassen sich gut ertasten. Auf der linken Unterseite findet sich der Button zur Aktivierung des recht effektiven aktiven Nosise Cancelling. An der rechten Ohrmuschel hat der VMK20 eine 3,5-mm-Klinkenbuchse, um den Hörer passiv am Smartphone zu betreiben. Dank niedriger 32 Ohm Impedanz ermöglichen die 40 Millimeter durchmessenden Treiber damit noch zünftigen Drive. Damit spielt die Musik auch weiter, wenn die Akkus nach bis zu über 40 Stunden Betrieb leer sind.
Für die Bluetooth-Verbindung nutzt der VMK20 die Version 5.0 und ermöglicht bei Android-Geräten die Verwendung von AptX LL für hohe Klangqualität mit geringer Latenzzeit (nützlich bei Videos) oder AAC bei Apple-Geräten.


Entspannend dank ANC, bequem und leicht auf dem Kopf
Für einen kompakten ohrumschließenden Hörer sitzt der Valco VMK20 bemerkenswert bequem. Die knapp geschnittenen Polster hüllen die Ohren ohne unangenehmes Druckgefühl ein. Damit trägt sich der Over-Ear deutlich angenehmer als ein On-Ear-Kopfhörer, dessen Polster mit Druck auf dem Ohr aufliegen. Für Blinde hat Valco die linke Seite seines Hörers sogar ertastbar gekennzeichnet, auch wenn es dazu im Manual nur „seltsame Kennzeichnung“ heißt.
Das aktive Noise Cancelling (ANC) wirkt vor allem im Bass. Durchsagen an Bahnhöfen kommen dagegen gut ans Ohr. Wer zweimal auf den MFB-Button (das Kürzel steht für „Madafakin-Taste“) drückt, kann mit der auch zum Ein/Ausschalten verwendeten Taste direkt mit dem Sprach-Assistenten seines Smartphones kommunizieren und so ganz komfortabel die Wiedergabe über Siri oder Google Assistant steuern. Auch eingehende Anrufe lassen sich via MFB entgegennehmen.
Durch kurzes Drücken der MFB-Taste lässt sich die Wiedergabe aber auch schnell mal starten und wieder anhalten. Für Titelsprünge in beide Richtungen muss der Nutzer die jeweilige Lautstärke-Taste etwas länger drücken.
Währen viele Hersteller heute ihren Gadgets keine vernünftigen Bedienungsanleitungen mehr beilegen, bricht Valco mit diesem Brauch. Betont unvernünftig aufgemacht, mit Gaga-Piktogrammen als Persiflage auf das übliche Einerlei, informiert das „User Manual for Dummies“ richtig gut. Dabei muss man mitunter grinsen.
Feel the Beat
Im Hörtest war Schluss mit lustig. Die Klangabstimmung des Valco VMK20 trägt eine professionelle Handschrift. Und eine recht junge noch dazu. Wer Pop-Musik mit satten Beats bevorzugt, bekommt Bass satt auf die Ohren. Dabei stechen der satte, saubere Punch und der große Tiefgang hervor. Das kommt mit Beats wie bei „Sad“ von XXXTENTACION oder dem „True“ Cover von Yuri Petrovski mit seinem tiefen, trockenen Punch natürlich famos. Doch auch mit Songs wie „Night Of The Hunter“ von 30 Seconds To Mars vom Album „This Is War (Deluxe)“ beindruckt das extrem satte, dabei differenzierte Bass-Feuerwerk.
Die Stimmwiedergabe gelingt dem Finnen nicht nur bei Jared Leto sehr stimmig. Seine Tonalität bewegt sich dabei auf der eher warmen Seite der Neutralität. Das macht das Langzeithören sehr angenehm, auch wenn er deshalb nicht zu den transparentesten und brillantesten Kopfhörern zählt.
Für die gelungene Abstimmung hat Valco übrigens mit dem finnischen Masteringstudio Kesthouse, kooperiert. Wir haben es überprüft. Das war wohl kein Scherz und der Hörer klingt auch mit Rock und Jazz richtig gut. Ja, natürlich drängte sich zum Schluss Falco über Valco auf. Von „Egoist“ bis „Rock Me Amadeus“ kam richtig Stimmung auf.
Seine gute Empfindlichkeit ließ den VMK20 auch passiv an unserem iPhone zu satter, im Oberbass fast schon übertriebener Tieftonwiedergabe und ordentlicher Dynamik auflaufen. Die meiste Laune macht der Valco allerdings im Aktiv-Betrieb mit dem besser dosierten und kontrollierten Bass. Die Nutzung des ANC-Systems gegen Umgebungslärm bleibt selbst im Betrieb am Kabel möglich. Das spart Akku-Kapazität macht den Valco mit seinem bequemen, sicheren Sitz zum idealen Begleiter für lange Reisen und Outdoor-Aktivitäten.
Test-Fazit und Alternativen zum Valco VMK20
Die beiden Scherzkekse aus Skandinavien sorgen mit PR-Finten für so manchen Lacher. Sie liefern mit dem VMK20 aber auch einen konkurrenzfähigen Kopfhörer mit Active Noise Cancelling, besonders für Freunde kräftigen Basses. Am ehesten ist der Valco mit dem nominell deutlich teureren JBL Club One vergleichbar, der sich aber mit Equalizer und etwas mehr Dynamik klanglich vielseitiger zeigt.
Für Freunde derben Humors wie von Mike Meyers („Austin Powers“) oder Ben Stiller („Verrückt nach Mary“) ist der finnische Hörer sogar alternativlos.
Technische Daten Valco VMK20
- Preisempfehlung des Herstellers: 170 Euro
- Bauart: Over-Ear
- Wandlerprinzip: Dynamisch
- Gewicht: 250 g
- Besonderheiten: Hardcase, Faltbügel-Mechanismus, Active Noise Cancelling, Freisprech-Mikrofone, bis zu maximal 45 Stunden Akkulaufzeit beim Musikhören mit ANC, bis zu 40 h beim Telefonieren, Airline-Adapter, passiver Kabelbetrieb möglich (Anschlusskabel liegt bei)
- Mehr unter: valco.io