STEREO GUIDE Testurteil
Der Beyerdynamic Xelento Wireless 2 Generation glänzte im Test. Der In Ear ist am Kabel wie mit Bluetooth klanglich ein Meisterstück.
Vorteile
- feinste Detailauflösung, überragende Transparenz
- spielfreudig und homogen über alle Bereiche
- sehr gute Räumlichkeit
- perfekt an jeden Gehörgang anpassbar
Nachteile
- Tiefbass könnte manchmal mehr Kontur haben
- die Bügelkonstruktion mag nicht jeder
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Klang: Natürlichkeit / Transparenz9.7
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Klang: Bass / Dynamik9.3
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Praxis / Connectivity9.3
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Preis / Leistung8.7
Fast hat es in unseren Tests den Anschein, als tendiere der Markt für In-Ear-Hörer zu den Extremen. Audiophile passive Pretiosen auf der einen Seite, und auf Komfort gezüchtete voll drahtlose Ohrstöpsel auf der anderen bekommen wir oft angeboten. Kopfhörerspezialist Beyerdynamic wagt es da, gegen den Trend zu schwimmen: Der brandneue Bluetooth-In-Ear Beyerdynamic Xelento Wireless Generation 2 trägt zwar die Bezeichnung drahtlos im Namen, verlässt sich aber auf einen Nackenbügel für die Elektronik und kurzen Kabeln zu den eigentlichen, dadurch sehr leichten und vor allem kompakten Hörern.
Führt man sich jetzt auch noch den durchaus highendigen Preis von 1200 Euro vor Augen – für den man anderswo ein Paar audiophile Passivhörer und einen Mobil-DAC erstehen kann – ist klar: Der Beyerdynamic Xelento Wireless 2 muss beim Klang voll abliefern, um am Markt bestehen zu können. Denn ohne Noise-Cancelling, mit nur 9,5 Stunden Laufzeit im Normalmodus (im Battery-Save-Mode sind es bis zu 14) und gerade einmal Spritzwasserschutz von IPX4 würde er in der Gadget-Lover-Zielgruppe sonst wenig reißen. In diesen Kreisen zählen klassische Werte wie die Herstellung in Handarbeit am Stammsitz Heilbronn oder die extrem edlen Materialen nur bedingt.
Passiv zu Aktiv
Wer die schön gemachte Verpackung im Stil einer Schmuckschatulle öffnet, erkennt schnell das modulare Konzept: Eigentlich erwirbt man mit dem Komplettpaket zwei Einzelkomponenten. Ein passives In-Ear-Pärchen, das sich auch mit Kabel klassisch an Smartphone oder Kopfhörer-Amp anschließen lässt. Mit 16 Ohm Nennimpedanz ermöglicht der Xelento selbst am Ausgang eines Smart-Devices noch ordentliche Abhörpegel und Spielfreude.
Und es gibt eine Aktiv-Elektronik im Nackenadapter, der als Hires-Wandler/Bluetooth-Empfänger für vorgenannte Hörer dienen kann. Aber eben nicht muss. Beyerdynamic macht keinen Hehl daraus, dass sie die klangrelevante Elektronik wie D/A-Wandler und Verstärker vom Spezialisten AKM orderten.
Den erfreulich ergonomisch gehaltenen In-Ears merkt man ihr Gewicht von 8 Gramm pro Kapsel nicht an – sie fühlen sich noch leichter an. Was auch daran liegt, dass man das Kabel zwingend hinter dem Ohr von oben/vorne zuführen muss. Die Treiber in den hochglänzenden Kapseln werden im Werk in Heilbronn, Deutschland, handgefertigt, was für Bluetooth-Hörer wohl einmalig sein dürfte. Beyerdynamic nennt den Treiber Tesla.11, was als Hinweise auf die besonders starke Magnetfluss-Dichte und den Durchmesser verstanden werden sollte. Quasi eine Hommage an den begnadeten kroatischen Physik-Pionier Nikola Tesla, nicht an das ebenfalls auf ihn verweisende Elektro-Auto aus USA.
Volle Punktzahl bei der Adapter-Frage
In einem weiteren Punkt können wir dem Hersteller im Test nur volle Punktzahl bei der Berücksichtigung von akustischer Individualisierung attestieren: Es werden Silikonadapter in 7(!) verschiedenen Größen mitgeliefert, wovon einer mit Garantie jede noch so ungewöhnliche Gehörganggröße trifft. Zusätzlich gibt es drei Schaumstoffpolster. Die empfehlen sich als Alternative bei ungewöhnlich geformten Gehörgängen oder wenn der Nutzer einen etwas komfortableren Sitz bevorzugt.
Wir sagen dazu: Bravo, Beyerdynamic! Das kleine Knackgeräusch, was der Hörer von sich gibt, wenn man ihn mit zuviel Druck in den Gehörgang drückt, muss man einfach überhören.
Drahtlos oder Hi-Res in der Praxis
Die Funktionalität des Bluetooth Empfängers bleiben auf der notwendigste beschränkt. Ein kleines Bedienkästchen im Kabel übernimmt Lautstärke, Play/Pause und Titelsprung. Auch ein einzelnes Mikrofon zum Telefonieren steckt in der nicht störend wahrnehmbaren Kabelfernbedienung. Die Elektronik im Nackenbügel hat noch eine Taste zur Aktivierung des Batteriesparmodus´. Das wars.
Ein wahres Füllhorn schüttet der Xelento Wireless 2 dafür bei den Audio-Codecs aus: Neben AAC gibt es LHDC sowie Apt-X in diversen Varianten inklusive Adaptive und HD. Bluetooth 5.2 verrät den neuesten Stand der Elektronik.
Trotzdem: Bluetooth hat unter Highendern nicht den allerbesten Ruf. Also kann man gar nicht laut genug schreiben: Der Beyerdynamic Xelento Wireless 2 ist eben nicht „wireless only“, auch wenn der Name das suggerieren mag. Denn gut versteckt hat die Elektronikeinheit im Bügel einen USB-C-Anschluss, der auch als Verbindung zu digitalen Quellgeräten wie Laptop, Tablet oder Smartphone dienen kann. Eine solche Verbindung ist dann wirklich Hires-tauglich. PCM-Signale werden bis 96 kHz und 24 Bit vom internen DAC gewandelt.
MIY-Fidelity: Nicht ohne seine App
Richtig smart wird der Xelento erst, wenn man die Beyerdynamic MIY App nutzt. Das funktioniert erfreulicherweise auch ohne persönliche Anmeldung und Öffnen der eigenen Datenschätze auf dem Smartphone.
Die wichtigsten Funktionen der App sind vermutlich für die meisten Nutzer die Aktivierung eines Sprachassistenten und die Einrichtung einer eigenen Equalizerkurve. Zusätzlich zum manuellen Korrigieren bietet die App eine Art Selbst-Hörschwellentest. In dessen Verlauf gilt es, durch Drücken und Halten eines Buttons auf dem Bildschirm Töne zu reagieren, die aus einem Rauschteppich ansteigen. Die Software berechnet anschließend eine individuelle Korrekturkurve. Diese Hearing-ID kann man dann nach Bedarf zuschalten, um den Klang zu optimieren. Was im Test mit mir und einem Kollegen auch tatsächlich einen subtilen Klanggewinn brachte.
Der Klang-Champion: Beyerdynamic Xelento Wireless 2
Obwohl – oder weil? – wir eine gewisse Skepsis gegenüber dem drahtlosen Bügel-Konzept nicht verhehlen können, geriet der Hörtest des Beyerdynamic Xelento Wireless 2 zum absoluten Durchmarsch. Zum einen war es eine Wohltat, einen In-Ear-Hörer zu testen, der von der ersten Sekunde an ohne komplizierte Adapterauswahl- und Anpassprozeduren sofort das volle Klangniveau bietet. Gerade die Schaumstoff-Dichtungen erwiesen sich als sehr komfortabel, tolerant zu verschiedenen Gehörgängen und sind sozusagen „Plug & Play“. Wie die Bluetooth-Verbindung, die erfreulich hochwertig klang und kaum gegenüber der Hires-Verbindung abfiel.
Zum anderen kann der Beyerdynamic Xelento Wireless 2 aber auch aus audiophiler Sicht nur als großer Wurf bezeichnet werden: er bietet eine überragende Feinauflösung, die mit feinster Transparenz einhergeht und im Test nie nervte. Dazu eine Spielfreude, die sich durch alle hörbaren Frequenzen zieht.
Technische oder HiFi-typische Klangbeschreibungen verloren hier an Bedeutung: Ja, der Xelento 2 spielt tief, verzerrungsfrei dynamisch und ausgewogen. Aber das ist die Pflicht, das können andere Hörer auch. Und in der Kür blühte er erst so richtig auf. Von Thrash Metal bis zu barocken Chören: Der Xelento 2 schien wirklich jedes Teststück, was wir ihm einfütterten, im Sinne der Komposition mit Leben zu erfüllen. Anders kann man es nicht beschreiben, denn von der treibenden Direktheit härterer Musikrichtungen bis zum weiten Raum einer Kathedrale war alles genauso, wie es sich Musikliebhaber wünschen.
Der perfekte In-Ear?
Ist der Beyerdynamic also der perfekte In-Ear-Hörer, der sich keine einzige Schwäche erlaubt? Ja, das könnten wir ihm nach unserem ausgiebigen Test attestieren. Fast: Zum einen ist er nicht der allerseidigste in den Höhen, sondern bleibt der spielfreudigen Linie auch obenrum treu. Nutzt man die Hi-Res-Verbindung statt Bluetooth, wird das etwas feiner.
Ferner ist sein Tiefbass mächtig tief und substanzreich, allerdings nicht so behände und kickend, wie wir es von den Besten der Besten kennen. Mit Musik, deren Tiefbass die Musik zu dominieren scheint – von Hiphop bis Techno – kann das zuviel des Guten sein. Dann überdecken Basswellen wie von einem zu laut aufgedrehten Subwoofer den Rest des Spektrums etwas.
Hier hilft die Beyerdynamic-eigene App namens MIY und löst das Problem mit einem kurzen Einsatz eines Equalizers. Zumindest, wenn es dem Benutzer im Bass-Bereich zu viel des Guten werden sollte, was bei Hip-Hop-Fans keinesfalls als sicher gilt. (Von wegen, gib Bass, ich will Spaß) Bei Klassik, Pop, Rock, Jazz und Ähnlichem passt der kleine Nachbrenner dagegen, und wir sind kein einziges Mal auf die Idee gekommen, dass wir einen Equalizer überhaupt brauchen. Was auch eine Adelung für den Xelento Wireless 2 ist.
Testfazit, Alternativen und Marktumfeld
Hand aufs Herz: Wer einen True Wireless Hörer für unterwegs haben will, wird sich vermutlich am höheren Preis und dem verkabelten Bügel des Beyerdynamic stören. Das ist schade, denn so verpasst man den aus unseren Sicht besten aktiven In-Ear, den es zur Zeit am Markt gibt.
Klanglich spielt er auf dem Niveau audiophiler Passiv-In-Ears seiner Klasse, etwa dem Sennheiser IE900 und dem Final B-3. Wohlgemerkt jeweils mit einem hochwertigen DAC kombiniert, die im Paket das Budget des Beyerdynamics schnell überschreiten. Und selbst da muss man sagen: Zwischen dem minimal in den Höhen und im Tiefbass effektvoll betonenden Sennheiser und dem etwas zurückhaltend-audiophilen Final B-3 liegt der Beyerdynamic Xelento Wireless 2 in der Mitte, die sich vermutlich viele audiophile Hörer genau gewünscht haben. Wenn auch etwas näher beim Sennheiser.
Technische Daten Beyerdynamic Xelento Wireless 2
- Preisempfehlung des Herstellers: 1200 Euro
- Bauart: In-Ear
- Wandlerprinzip: Dynamisch
- Gewicht: je 8 g (Kapsel), Gesamt mit Elektronikbügel 38 g
- Besonderheiten: wahlweise Digitalaktiv-, Bluetooth- oder Passivbetrieb (16 Ohm), wasserabweisend nach IPX4, App-Steuerung
- Mehr unter: www.beyerdynamic.de/