Das aktive Noise-Cancelling (ANC) war lange nur bei höherpreisigen On-Ear-Kopfhörern wie von Bose oder Beats beliebt. Mit den Branchenriesen Apple und Sony und dem Siegeszug der TWS (True Wireless Earbuds, vollkommen drahtlose In-Ears) hat sich die Technologie aber auch bei In-Ears mittlerweile auf breiter Front durchgesetzt. Doch während bei den „normalen“ TWS ohne Noise-Cancelling selbst bei Markenprodukten die Preise purzeln, gehören die Modelle mit effektiver Lärmunterdrückung nach wie vor zum gehobenen Segment. Wer nicht ins Regal der Top-Produkte greifen will, für den haben wir deshalb die besten True Wireless In-Ears mit aktivem Noise-Cancelling (ANC) aus unseren Testberichten in diesem Kaufratgeber zusammengestellt.
Inhaltsverzeichnis
So funktioniert die Lärmunterdrückung im In-Ear
Die allermeisten In-Ear-Hörer bieten allein durch ihre Abdichtung mittels Gummiadapter im Gehörgang eine schon ziemlich gute akustische Trennung von der Außenwelt. Das gilt allerdings nur für den Mittelhochtonbereich, zuweilen noch den Grundton (der zwischen Bass und Mittelton liegt). Ein aktives Noise-Cancelling sorgt nun dafür, dass auch die tiefen Töne noch herausgefiltert werden und man ein insgesamt ausgewogeneres Gefühl der Ruhe hat. Insbesondere in Umgebungen mit viel Tieftonlärm ist das sehr angenehm, etwa im Flugzeug, neben befahrenen Straßen oder in älteren Schienenfahrzeugen.
In-Ears mit aktivem Noise Cancelling (ANC) besitzen an ihren Außengehäusen mehrere Mikrofone. Diese analysieren den einfallenden Störschall und erzeugen elektronisch eine Art Gegenschall. Dieser wird von der normalen Membran, die auch für die Musikwiedergabe verantwortlich ist, direkt in den Gehörgang des Trägers eingespielt und löscht im Idealfall den Störschall komplett aus.
Dieses System hat natürlich Grenzen. Insbesondere dann, wenn sehr tieftonstarker Störschall auftritt oder dieser sich sehr plötzlich ändert, etwas bei Wind. Auch die elektroakustische Fähigkeit der sehr kleinen Treiber, Gegenschall von entsprechender Stärke zu erzeugen, begrenzt das Noise-Cancelling.
Was definitiv nicht funktioniert, ist ein aktives Noise-Cancelling bei Ohrhörern, die nur locker auf dem Ohr oder im Gehörgang aufliegen.
Die besten In-Ears mit ANC kaufen
So findet man den perfekten TWS mit ANC
Tipp 1: Einsetzen, ANC ausprobieren und Langzeitsitz
Bei einem In-Ear mit Noise-Cancelling gilt eine goldene Regel aller In-Ear-Hörer noch einmal vertärkt: Die Schallkanäle mit ihrem Adapter müssen den Gehörgang wirklich dicht abschließen. Ist das nicht der Fall, wird in aller Regel auch das Noise-Cancelling nicht zufriedenstellend funktionieren.
Es ist deshalb wirklich wichtig, dass die In-Ears vor dem Kauf im eigenen Gehörgang ausprobiert werden. Das ist in vielen Läden oder auch im Versandhandel aus hygienischen Gründen nicht möglich. Dann lautet unser Rat: Lieber einige Modelle bei Freunden, auf Hifi-Messen oder bei ähnlichen Gelegenheiten ausprobieren. Und das bedeutet nicht nur einmaliges Einführen in den Gehörgang, sondern zumindest, damit umherzugehen, Musik zu hören und auch unter schwierigen Bedingungen wie Straßenlärm, Wind etc. das Noise-Cancelling zu testen. Sitzen die Earbuds korrekt, wird auch das NC korrekt funktionieren und nicht nur Pop-Geräusche, unangenehme Bassunterschiede rechts/links oder sonstige Fehlfunktionen auffallen.
Viele Hersteller liefern mehr als 3 Standardadapter in Form von Gummidichtungen, Schaumstoffringen oder sonstigen Adaptern mit. Schaumstoffadapter sind oft einfacher einzusetzen, aber bei NC-Hörern nicht unbedingt die Wahl für eine perfekte akustische Isolation.
Ansonsten gilt auch hier: Ausprobieren. Jeder Gehörgang ist verschieden, und oft merkt man erst nach einigen Stunden, dass die Earbuds im Ohr drücken, sich bei Bewegungen langsam lösen oder die Basswiedergabe dünner wird. Das sind alles deutlichen Zeichen für: „Dieser Earbud passt nicht für mich!“
Tipp 2: Welche Features und Akkulaufzeit brauche ich?
Die Ausstattungslisten typischer True-Wireless-Earbuds verraten mit einer schier endlosen Zahl an Einträgen, dass es sich um echte HighTech-Geräte handelt. Ebenso überbieten sich die Hersteller in ihren passenden Apps mit Features, Tricks und Spielereien.
Unser Tipp: Das meiste davon benötigt man nicht. Und auch der Unterschied zwischen den einzelnen Bluetooth-Versionen 5.0, 5.1 oder 5.2 ist in der Praxis nicht wirklich relevant. Bei den Codecs hört man zwar einen Unterschied (AAC dürfte für Apple iOS User die beste Wahl sein, Apt-X (HD/Lossless) bei den meisten modernen Android-Devices). In der Klangqualität schlägt sich das aber unserer Erfahrung nur dann wirklich merklich nieder, wenn man etwas komplexere Musik in Ruhe hört, etwas zu Hause.
Einige Funktionen und Eigenschaften sind dagegen aus unserer Sicht absolut kaufentscheidend. Folgende Fragen sollte man sich vor dem Kauf stellen, und die Auswahl der Kandidaten entsprechend einschränken:
- Sollen die Earbuds wasserdicht/sporttauglich sein? (Dann ist die IP-Zertifizierung, in diesem Ratgeber erklärt wichtig, aber auch ein besonders fester Sitz im Gehörgang.
- Will ich mit den TWS auch in lauter Umgebung telefonieren? Dann ist die beste Spracherkennung mittels Mikrofon-Arrays gerade gut genug
- Brauche ich einen guten Durchsage/Transparenzmodus für Bahnhof, Flughafen oder Flugzeug? Wenn ja, empfehlen wir diesen auszuprobieren, dass er nicht lärmig klingt und einfach zu aktivieren ist.
- Brauche ich eine lange Akkulaufzeit unabhängig vom Ladecase, oder genügen 5 Stunden?
- Höre ich mit den TWS auch einmal recht laut Musik, oder habe ich viele Aufnahmen, die wiederum leise aufgenommen sind (wie Klassik oder Jazz)?
Tipp 3: Soll ich ein günstiges Auslaufmodell kaufen?
Da sucht man einenbei STEREO GUIDE gut getesteten In-Ear mit ANC, und schon taucht beim großen Versandhandel ein Auslaufmodell mit 30% Preisabschlag auf. Kaufen oder den Aufpreis für das neue Modell bezahlen?
Bei höherpreisigen TWS der renommierten Hersteller wie Sennheiser und Sony, die die Technik seit Jahren beherrschen, sind die Qualitätssprünge von der letzten Generation auf die aktuelle in vielen Fällen nur noch evolutionäre Verbesserungen. Das gilt meist auch für die Effektivität der Lärmunterdrückung. War schon das Vorgängermodell positiv getestet, kann man in diesen Fällen bedenkenlos zugreifen.
Anders sieht das bei günstigen Modellen oder Marken aus, die noch relativ neu in diesem Segment sind. Hier lässt sich keine sinnvolle Aussage treffen, ohne das veraltete Modell wirklich intensiv getestet zu haben. Im Zweifelsfall raten wir dann eher dazu, das gut getestete aktuelle Modell zu kaufen.
Unsere Kauftipps im Detail: Top 4 der TWS mit ANC bis 150 Euro
Klangstarker, aber weniger dynamischer Preisbrecher: Sony WF-C700N
Für nicht einmal 100 Euro bietet der Branchenriese Sony einen TWS mit sehr effektivem Noise-Cancelling, der im Feature- wie im Klangtest mehr als überzeugen konnte. Der Sony WF-C700N (hier geht es zu unserem Testbericht) punktet mit 7,5 Stunden Akkulaufzeit bei aktiviertem ANC, relaxed-natürlichem, doch tiefreichendem Klang und geradezu überbordenen Features in der App. Besonders bei Pop, Rock und akustischer Musik war der Sony in seinem Element. Die akustische Isolation ist schon mit deaktiviertem ANC hervorragend, da man die sehr kleinen und ergonomischen Stöpsel recht tief in den Gehörgang hineindrehen muss. Mit ANC hat man dann selbst im Straßenverkehr oder im Flugzeug ein überzeugendes Ruhegefühlt, wie man es sonst nur von teureren NC-Hörern kennt.
Die aus unserer Sicht einzige Einschränkung: Dynamisch spielt der Sony WF-C700N eher auf der ruhigen Seite und gibt bei Beat- die Bassbetonter Musik nicht soviel subjektiven Drive und Druck auf die Trommelfelle. Auch sind die Gummiadapter eher groß, für schmale Gehörgänge ist deshalb unbedingt „Vorher Ausprobieren!“ angesagt.
JBL Tune 230NC
Der JBL Tune 230NC (hier geht es zum Testbericht) war bei seinem Erscheinen ein echter Preisbrecher: ernsthaftes Noise-Cancelling in einem True Wireless System gab es hier erstmals für unter 100 Euro. Seine „Stick-“ oder „Lollipop-„Form wird nicht jedem gefallen, dafür hält der Akku ohne Nachschub aus dem Case satte 10 Stunden lang. Ebenso gehören die App und der inbegriffene Funktionsumfang eindeutig schon in die High End Klasse. Sein Noise-Cancelling gehört weniger zu den effizienten als mehr den natürlichen Vertretern dieser Technik.
Für Bassliebhaber und Freunde treibender Rhythmen ist der JBL erste Wahl: er bietet ebensoviel Tieftonfundament wie Dynamikreserven und hat eine besonders anspringende Spielweise. Alles von Pop über Rock bis Hiphop spielt er mit der mitreißenden Dynamik eines Livekonzertes und ist damit ein klassischer Spaßmacher. Etwas weniger beherrscht er nach audiophilen Kriterien solche Kategorien wie schöne Stimmen, ultimativ Auflösung und Sanftheit.
Sennheiser CX Plus True Wireless
Der deutsche Hersteller Sennheiser spielt im oberen Preissegment ohnehin ganz vorne mit. Die CX Plus True Wireless (hier geht es zum Testbericht) bieten die gewohnte Klangqualität aber auch zum günstigen Preis von deutlich unter 150 Euro. Das gilt besonders für die audiophilen Tugenden bei gepflegter Musik von Jazz bis Rock: transparente Auflösung, natürliche, warme Klangfarben, seidige Durchhörbarkeit und eine uneingeschränkte Langzeittauglichkeit lassen den CX Plus als einen der klanglich besten seiner Klasse brillieren. Wer vor allem mal adrenalin- und impulsreiche Musik von Techno bis Hiphop hört, wird vielleicht andere Hörer als dynamischer und knalliger empfinden.
Sein Noise-Cancelling liefert nicht den Eindruck einer totalen Isolation, sondern ist ebenfalls eher unauffällig-sanft auf einen Dauerbetrieb ausgelegt. Die herstellereigene App überzeugt mit vielen sinnvollen Funktionen und auch bei der Batterieautonomie liegt der Sennheiser CX Plus mit 8 Stunden ohne Case in der Spitzengruppe.
Teufel Real Blue TWS 3
Der Berliner Hersteller hat zwei komplett unterschiedliche Reihen von True Wireless Earbuds am Start. Die Real Blue TWS 3 (hier geht es zum Testbericht) sind mit aktivem Noise-Cancelling ausgestattet und folgen der klassischen Earbud-Form ohne Bügel, Sticks oder sonstige Gehäuseanbauten. Der In-Ear ist wie schon die 2. Generation mit der Teufel Headphones App kompatibel. Die bietet viele sinnvolle Funktionen und einen etwas gewöhnungsbedürftigen Equalizer. Das Noise-Cancelling macht seine Sache gut und störgeräuschfrei, aber nicht übermäßig effizient. 6 Stunden Akkulaufzeit mit aktiviertem ANC gehen noch in Ordnung, ohne spielen die Earbuds jetzt 9 Stunden, bevor sie im Case für insgesamt 37 Stunden nachtanken müssen. Mit ANC beträgt die Gesamtlaufzeit mit mehrmaligem Nachladen im Etui 21 Stunden. Der Spritzwasserschutz wurde beim Real Blue TWS 3 auf den Standard IPX4 verbessert und es stehen neuerdings vier statt zwei Farben zur Auswahl.
In der Klangabstimmung Real Blue TWS 3 stachen sofort die frischeren Höhen und die hervorragende Transparenz hervor. Der neue Teufel klingt dynamisch, hochauflösend und lässt den Vorgänger in der Räumlichkeit sehr alt aussehen. Wer spaßbetont hört und sich gern auch beim richtig auf die 12 gibt, war mit der 2. Generation besser bedient. Denn nach der Modellpflege wirkt das vormalige Bassmonster eher schlank. Die einstige Sattheit, die schon mal zu Lasten der Transparenz gehen konnte und die Mitten überlagerte. Jetzt dürfte der Real Blue TWS wohl eher die Freunde von klassischer Chormusik und audiophilen Entspannungsscheiben überzeugen. Aber Hip-Hop- und Pop-Fans finden teilweise günstigere Alternativen wie den JBL Tune 230NCTWS, denn Teufel verfielen mit der Abstimmung beim Generationenwechsel vom einen Extrem ins andere.
Bestenliste: Alle Kopfhörer-Tests von STEREO GUIDE im Überblick
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