STEREO GUIDE Testurteil
Der Cambridge Audio Evo ist eine moderne Musiktruhe mit unendlichen Streaming- und Anschlussmöglichkeiten und vollwertigem, feinen Klang.
Vorteile
- erwachsener, fein ausgewogener Klang
- enorme Dynamikreserven und Spielfreude
- Connectivity und Bedienung sind ein Traum
Nachteile
- Raumabbildung und Basspräzision könnten besser sein
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Klang: Natürlichkeit / Transparenz9.3
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Klang: Bass / Dynamik9
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Praxis / Connectivity10
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Preis/Leistung9.1
Wäre nicht der dominante Bildschirm, der dezentral auf der Schallwand sitzt, man könnte das neue Cambridge Audio Evo One für eine Musiktruhe aus der Vintage-HiFi-Abteilung halten. Der britische Hersteller vereint in dem 68 Zentimeter breiten System dennoch alles an Möglichkeiten, was man sich heute nur wünschen kann, wenn man ein schönes Design-Wohnzimmer mit genau einem Stellplatz für Musikwiedergabe hat.
Stereo-Lautsprecher, Verstärker, Subwoofer, Vorverstärker und Streamer sind integriert. Letzterer entspricht dem Digitalteil im bekannten Streaming-Receiver Cambridge Evo 75 und gehört damit samt seiner eigenen App zu den besten am High-End-Markt. Zusätzlich gibt es HDMI-Connectivity an den Fernseher und Analogeingänge für Quellen wie einen Plattenspieler.
Ersetzt der Retro-Riegel womöglich gleich noch die Soundbar mit? Das wir eine der Fragen sein, die der Hörtest zu klären hat. In der Zwischenzeit erfreuen wir uns daran, dass Cambridge konsequentes Retro-Design mit Echtholz und Stoff mit einer designtauglichen Formgebung verbunden hat. Ja, der Evo One baut ein wenig in die Breite, dafür scheint er dank einer Gestellkonstruktion auf dem Lowboard quasi zu „fliegen“, und er ist mit 13 Zentimeter Höhe wirklich sehr flach.
Keine Connectivity-Wünsche bleiben offen
Der Cambridge Audio Evo One punktet im Datenblatt ansonsten mit seiner digitalen wie analogen Vielseitigkeit. Die „StreamMagic“ genannte, proprietäre Netzwerk-Plattform bringt dem Retro-Riegel die Integration von Diensten wie Spotify Connect, TIDAL Connect, Deezer, Qobuz und unterstützt außerdem die beliebten Protokolle Roon Ready, AirPlay 2, Google Cast und UPnP. Das klappt alles zu einer HiRes-Auflösung mit bis zu 32Bit/192kHz über Wi-Fi oder Ethernet. Zusätzlich ist ein Bluetooth-Empfänger eingebaut, und auch lokale Massenspeicher wie eine USB-Festplatte oder ein USB-Stick können direkt andocken und in der Cambridge-App verwaltet werden.
Am Gerät steht außerdem ein vollvertiger Vorverstärker mit diversen Digital- und Analogeingängen zur Verfügung. Neben Standards wie Cinch (Line) und optischer Toslink ist ein Phono-Verstärker für MM-Systeme eingebaut, sowie ein HDMI (eARC) vorhanden. An letzteren dockt einfach der Fernseher an und steuert die Lautstärke des Cambridge Audio Evo One mit, womit der auch zugleich von der Funktionalität her eine Soundbar ersetzt. Sofern man bereit ist, auf Surround- Sound oder Dolby Atmos zu verzichten.
Die App ist mehr als nur Fernbedienung
Die Connectivity zählt zum Besten am ganzen Markt für All-in-one-Systeme. Behält man da als Benutzer den Überblick? Erstaunlicherweise ja, denn zum eingebauten Streamer gehört die Cambridge-eigene StreamMagic App. Mit ihr kann man den Evo One wirklich komplett beherrschen.
Wesentliche Funktionen wie Wiedergabe, Pause, Lautstärke und Quellenwahl lassen sich aber auch direkt am Gerät steuern, so dass selbst eine verlegte Fernbedienung und ein verlegtes smartes Device kein Problem darstellen.
Die App kann nicht nur die mitgelieferte Fernbedienung ersetzen, sondern das Gerät auch konfigurieren und Quellen aktivieren oder deaktivieren. Zusätzlich dient sie als Musikbrowser für UPnP, hält Verbindung zu den eigenen Streaming-Diensten und einer Vielzahl von Internet-Radiosendern aufrecht. Spielt man Musik per Airplay, Roon, Google Cast oder Bluetooth zu, übernimmt die App automatisch den gestarteten Stream und zeigt Albumcover, Trackinformationen und Auflösung an. Wir sind begeistert!
Streaming für Erwachsene
Es dauert ein wenig, bis man sich wirklich durch alle Möglichkeiten dieser fantastischen App gekämpft hat. Besonders fiel uns die Soundeinstellung positive auf: es gibt einen integrierten 7-Band-Equalizer, der für tontechnisch bewandete Nutzer keine Wünsche offen lässt, aber eben auch ein wenig Erfahrung erfordert. Viel einfacher sind die beiden Slider für die Positions- und Raumkorrektur: einmal stellt man genau den Abstand zur hinteren Wand in Zentimetern ein, was zu einer entsprechend vorprogrammierten Bass-Korrektur führt, in der anderen Hälfte des Menus kann man den Evo One tonal an zu schwach oder zu stark bedämpfte Räume anpassen.
Das Einzige, was wir hier vermisst haben, sind Einstellmöglichkeiten für die Stereo-Darstellung. Die gibt es auch nicht, denn Cambridge setzt bei der Stereo-Wiedergabe klassisch auf die beiden integrierten Kanäle und verkneift sich jegliche Algorithmen zur Raumsimulation oder Basisverbreiterung.
Modernes Streaming in klassischer Retro-Musiktruhe
Eine bewusste Entscheidung für ein highendig-puristisches Konzept, denn Treiber und Verstärkerkanäle gäbe es genug: Jeweils 14 davon verspricht der Hersteller im nur 68 Zentimeter messenden Gehäuse.
Das ganze Komplettsystem arbeitet in Drei-Wege-Technik und in klassischem Zweikanal-Stereo. Vier Einzoll-Hochtonkalotten sind vorne und in den Seitenwänden direkt an den Außenkanten positioniert, so dass sie eine maximal breite Abbildung ohne elektronische Tricks hinbekommen. Das minimiert zugleich Phasenprobleme und das Gefühl einer akustischen Auslöschung, dass bei vielen voneinander entfernten Hochtönern manchmal droht. Die vier dazu passenden Mitteltöner sind direkt neben den Hochtönern positioniert. Jeder Treiber besitzt seinen eigenen Verstärker von jeweils 50 Watt RMS Leistung, so dass das Gesamtsystem rechnerisch auf 700 Watt kommt.
Die sechs zusätzlichen Tieftöner des Evo One sind erstaunlich klein, der Hersteller gibt sie mit 7 Zentimetern an. Es handelt sich aber um Exemplare mit sehr großem linearen Hub, die in einem geschlossenen Gehäuse untergebracht sind, Das kostet zwar gegenüber Passivmembranen oder Bassreflex etwas Maximalpegel, ist aber gerade bei wandnaher Aufstellung oder im Regal ein qualitativer Vorteil im Bass. Der Hersteller verspricht, dass diese Gehäuseauslegung keinerlei Kompromiss bei der Basstiefe mit sich bringt.
So klingt die moderne Retro-Musiktruhe von Cambridge Audio
Das Versprechen der Entwickler können wir im Hörtest zu 100% bestätigen. Aus dem Cambridge Audio Evo One kommt selbst in größeren Räumen ein akustisches Pfund sondergleich. Besonders der Tiefton lässt beim ersten Reinhören erst einmal an einen ausgewachsenen Subwoofer oder klassische Standboxen denken. Fast war es schon ein bißchen zuviel des Guten untenherum, sodass wir erst einmal von der Positionseinstellung in der App und dem Bassreglern des 7-Band-EQs dezent Gebrauch gemacht haben. Danach die Entwarnung: Der Evo One klingt zwar untenherum ziemlich kräftig, aber auch ausgewogen und gut an den Raum anpassbar.
Solchermaßen individualisiert, überraschte der Cambridge Audio Evo One mit echten HiFi-Qualitäten. Sein Klangfarbenreichtum war enorm, jede Art von Musik wurde bei ihm zum Genuss, und er gab sich dynamisch keinerlei Blöße. Fast schon ein wenig High-End-Feeling kan auf bei komplexeren Musikstücken. Geradezu erstaunlich, wie sauber die vier Hochtöner aufzulösen vermochten und wie mühelos das klang.
Offen für alle Musikrichtungen
Vorlieben für bestimmte Musikrichtungen kannte er nicht. Vom verkopften Big-Band-Jazz bis zu derben Hiphop spielte er souverän alles, was wir über diverse Protokolle gestreamt haben. Alles mit erstaunlicher Spielfreude, unaufdringlicher Feinauflösung und erstaunlichen Pegelreserven. Der Tiefton blieb eher auf der voluminösen, massigen Seite, was aber gut zu dem Eindruck dieser dynamischen „Wall of Sound“ passte.
Vom ausgeklügelten Stereosystem mit den vier Hochtönern hätten wir uns in punkto Abbildung ein bißchen mehr erwartet. Die Musik löste sich zwar sehr gut vom Evo One und blieb in der Raumabbildung schön stabil, in etwa auf dem Niveau, dass wir es vom Zeppelin-förmigen Mitbewerber Meridian Ellipse schon kannten. Aber Wunder in punkto Raumgröße, Instrumentenstaffelung oder Dreidimensionalität sollte man nicht erwarten. Der Verzicht auf jegliche elektronische Tricks hätte auch jedes andere Testurteil zu einem Wunder gemacht. Interessanterweise fiel das bei Film- und Fernsehton gar nicht so auf. Klar, es fehlten die Surroundeffekte, doch besonders durch seine pieksaubere Stimmwiedergabe und die mitreißende Dynamik ließ uns der Evo One Filme erleben, ohne dass wir eine Atmos-Installation vermisst hätten.
Trotzdem ist der Cambridge Audio Evo One ein großartiges Komplettsystem. Und wahrscheinlich die modernste, bestklingenste und vollständigste Interpretation des alten Konzepts „Musiktruhe“.
Fazit und Alternativen zur Cambridge Audio Evo One
Integrierte Soundsysteme im Retro-Design gibt es einige, ebenso All-in-one-Speaker mit vielseitigen Streamingfunktionen. Beides in einem bekommt man aber wirklich nur beim Cambridge Audio Evo One.
Von Konzept her ist am ehesten der JBL Authentics 500 ein Mitbewerber. Der Cambridge bietet einen deutlich erwachseneren, zudem feineren und dynamischeren Klang, und rechtfertigt zudem mit einer ausgefeilten Streaming-App, unendlichen digitalen Möglichkeiten und dem Display seinen Mehrpreis. Beim Preis, dem Raumklang mit virtuellem Dolby Atmos und der Sprachsteuerung hat der JBL minimale Vorteile in der B-Note.
Wie schlägt sich der Cambridge Evo One im Vergleich zum Wunderspeaker Meridian Ellipse? Grobdynamisch und von der Detailauflösung her auf jeden Fall mit klaren Vorteile, dafür bietet der Ellipse den knackigeren Bass und den deutlich größeren virtuellen Raum aus einem kleineren Speaker.
Technische Daten Cambridge Audio Evo One
- Preisempfehlung des Herstellers: 1.500 Euro
- Abmessungen (B x H x T): 67,5 x 13 x 29 cm
- Gewicht: 14,5 kg
- Besonderheiten: AirPlay 2, Google Chromecast, Roon Ready, UPnP, Bluetooth 5.2, HDMI (eARC), USB-C, Analog Cinch, Phono MM, optischer Eingang, 7-Band EQ, Farbdisplay, Ortsanpassung über App
- Mehr unter www.cambridgeaudio.com