STEREO GUIDE Testurteil
Die Shokz OpenFit überraschten im Test dank Open-Ear-Prinzip durch tolle Räumlichkeit und bequemen Sitz. Doch sie erfordern auch Kompromisse.
The Good
- sehr luftiger, filigraner Klang mit sehr gutem Raumgefühl
- tiefe, knackige Basswiedergabe
- sehr lange Akkulaufzeit, gegen Staub und Spritzwasser geschützt nach IP54
- recht unempfindlich gegen Windgeräusche, bequemer, sicherer Sitz
The Bad
- Bass stößt mit einigen Tracks schon bei moderaten Pegeln an seine Belastungsgrenze
- Hörer und Case entladen sich innerhalb einer guten Woche von alleine
- ANC prizipbedingt nicht möglich
-
Klang: Natürlichkeit / Transparenz9.4
-
Klang: Bass / Dynamik8.1
-
Praxis / Connectivity9
-
Preis/Leistung9.6
Shokz steht für Kopfhörer. Während sich Mitbewerber wie JBL, Bose oder Sony auch gerade mit Bluetooth-Boxen im Mobil-Audio-Bereich einen Namen machten, vertraut das Unternehmen aus Shenzhen in Südchina auf seine enorme technische Kreativität beim Finden unkonventioneller Ohrhörer-Konstruktionen, bei denen sportlich Aktive im Fokus stehen. So handelt es sich bei den Shokz OpenFit aus diesem Testbericht um ein sogenanntes Open-Ear-Konzept. Der Kopfhörer sitzt auf dem Ohr. Er lässt aber wegen seiner kleinen Abmessungen anders als On-Ears oder Over-Ears den größten Teil frei.
Die Spezialität des sportlichen Nischenanbieters sind Lösungen, die weder einen Kopfbügel haben, noch wie In-Ears in den Gehörgang eingeführt werden müssen. Dabei bedient sich Shokz bei Modellen wie dem OpenRun Pro auch der exotischen Knochenschall-Übertragung. Dabei wirkt ein Exiter auf den Schädelknochen vorm Ohr ein, um das Audio-Signal am Trommelfell vorbei direkt zum Innenohr zu übertragen. Klingt abgefahren für einen Kopfhörer. Es wurde aber vor dem ernsten Hintergrund für Hörgeräte entwickelt, um Menschen mit Gehörschäden ihre Umgebung akustisch wahrnehmen zu lassen. Im Vergleich zu konventioneller Schallerzeugung, sind dabei allerdings gewisse Limits gesetzt.
Auf der IFA in Berlin konnte ich ebenfalls den OpenRun Pro ausprobieren und war vom Klang positiv überrascht. Allerdings kitzelte mich das Vibrieren vor dem Ohr so sehr, dass es den theoretischen Tragekomfort-Vorteil mit dem freien Ohr nach meinem Geschmack gründlich zu nichte machte. Der Shokz OpenFit verbindet in meinen Augen beziehungsweise Ohren das Beste aus beiden Welten. Damit empfahl sich der Bluetooth-Hörer nach einem kurzen Hörcheck auf dem Messestand für einen ausführlichen Test auf STEREO GUIDE.
Relativ kompakt, aber größer als In-Ears
Der uns zum Test bereitgestellte OpenFit lag mit seinem relativ großen Ladecase und einem Gesamtgewicht von rund 74 Gramm recht schwer in der Hand. Die Größe kommt von den ausladenden Silikon-umhüllten Titan-Bügeln, die beim Aufsetzen der in Beige oder Schwarz erhältlichen Open-Ears hinter den Ohren entlanggeführt sein wollen. Die Hörer selbst wiegen dank Leichtbau nur je 8,3 Gramm und sitzen sehr bequem. So schwärmte mir kürzlich auch ein geschätzter Kollege, der die OpenFit für ein anderes Magazin getestet hat vor: Die bequemsten Hörer, die er kenne. Deshalb verwendet er sie auch täglich, wenn er zu Fuß unterwegs ist. Allerdings finde ich den Tragekomfort der neuen JBL Soundgear Sense ebenfalls sehr gut, obwohl die ersten Open-Ears der Amerikaner um einiges wuchtiger ausfallen. Dafür haben sie eine Verstellung um zwei Achsen, was die Positionierung gegenüber den starren Shokz erheblich erleichtert.
Die Positionierung spielt bei den Open-Ears im Grunde eine größere Rolle als der dichte Sitz bei In-Ears. Wenn die Ohrkanal-Hörer den Ohrkanal nicht richtig abdichten, geht Schalldruck im Bass und Grundtonfülle verloren. Wenn die Shoks schlecht sitzen, mangelt es ihnen nicht nur an Punch im Bass. Sie wirken dann auch im Mittelton-Bereich etwas diffus und harsch, was besonders Stimmen den Auftritt verdirbt. Allerdings sprechen wir hier von wenigen Millimetern, denn der starre Bügel lässt einem bei der Positionierung wenig Spielraum.
App-solute Kontrolle
Ersterem kann man mit dem Equalizer in der Shokz App für iOS und Android innerhalb gewisser Grenzen entgegenwirken, letzterem eher nicht. Man sollte also beim Aufsetzen bereits Musik laufen lassen, um den OpenFit nach akustischen Kriterien zu perfektem Sitz zu verhelfen. Einfach den Bass durch einen Boost über den Equalizer aufzublasen ist keine so gute Idee. Denn der ovale Treiber kam im Hörtest trotz seiner 18 x 11 cm großen Membran auch so schon gelegentlich an seine Grenzen. Mehr dazu weiter unten im ausführlichen Hörtest.
Zunächst noch ein par Eindrücke zu Bedienung und zur Praxis. Bis zu 28 Stunden Spielzeit lassen sich im Idealfall mit Nachladen im Case erzielen. Dann stehen für eine vollständige Ladung knapp zwei Stunden über eine Stromquelle mit dem beigelegten USB-C-Ladekabel an. Wer nur kurz Musik weiterhören möchte, kann den leeren Kopfhörer-Akkus in nur rund fünf Minuten Saft für eine weitere Stunde Bluetooth-Musikwiedergabe einflößen.
Die Außenseiten der Shokz OpenFit sind berührungsempfindlich ausgelegt. Sie steuern durch Tipp-Gesten oder durch längeres Halten nützlich Funktionen wie Lautstärkeregelung, Start/Stop oder das Aufrufen des Sprach-Assistenten auf dem Smartphone. Mit seinem Mikrofon-Array kann man also je nach Betriebs-System Apple Siri oder den Google Assistant aufrufen. Die Touch-Funktionen lassen sich über die Shokz App anpassen. Es gibt sogar eine Equalizer-Voreinstellung für Telefongespräche. Der Shokz ist ein vollwertiges Headset mit zwei Noise-Cancelling-Mikrofonen pro Hörer zum Ausblenden von Umgebungslärm beim Sprechen.
Hörtest: Shokz-Therapie für Kopfhörer-Muffel
Telefonieren klappte mit den Shoks mit guter Sprachqualität. So richtig aufhorchen ließen aber die ersten Musik-Tracks, denen wir über die Shokz OpenFit lauschten. Sie erklangen mit einer in Verbindung mit Kopfhörern selten erlebten Räumlichkeit. Spontan fühlte ich mich an den legendären Kopflautsprecher AKG K-1000 erinnert. Den Klassiker konnte ich 1989 für die Zeitschrift HIFI VISION im weltweit ersten Test auf den Zahn fühlen.
Diese wuchtige, auch auf der Raumstation MIR für Experimente verwendete Konstruktion bestand überwiegend aus Stahl und erinnerte ständig daran, dass man einen Fremdkörper au dem Kopf trug. Außerdem war der K-1000 mit 1.400 Mark äußerst kostspielig und sehr anspruchsvoll, was die Ansteuerung betraf. So richtig ins Zeug legte er sich erst, als ich ihn an die sündteuren Referenz-Mono-Endstufen Accuphase M-1000 (Paarpreis 38.000 D-Mark) anschloß. In diesen beiden Kritikpunkten liegen Lichtjahre zwischen dem Wiener Klassiker und dem winzigen, mehr als vier Jahrzehnte später für einen Bruchteil des Preises angebotenen Open-Ear von Shokz.
Gemeinsamkeiten zwischen den ungleichen Zwillingen mit verschiedenen Vätern lassen sich aber durchaus entdecken. Zwar gelingt es keinem von beiden, die Lokalisation von Solo-Stimmen oder Instrumenten in der Mitte des Klangpanoramas – den prinzipbedingt größten Nachteil von Kopfhörern überhaupt – zu überkommen. Das hat einen einfachen, aber leider kaum lösbaren physikalischen Grund.
Die Evolution ist schuld
Um es möglichst kurz zu machen: Unser Gehör nutzt evolutionsbedingt drei wesentliche Parameter zur Ortung von Schallereignissen (so von wegen Flucht vor Säbelzahntigern): Den Unterschied in der Lautstärke, der Laufzeit und des Frequenzgangsverlaufs zwischen beiden Ohren. Die beiden ersteren wiegen am schwersten, denn sie ermöglichen eine akustische Peilung. Die Unterschiede im Frequenzgang gehen auf die sogenannte Außenohr-Übertragungsfunktion zurück. Soll bedeuten: Die Form des äußeren Ohres sorgt wie ein natürlicher Equalizer für unterschiedliche Klang-Betonungen oder -Abschwächungen, je nach dem, aus welcher Richtung der Schall kommt.
Wer jetzt eins und eins zusammenzählt, kommt darauf, wo das Problem liegt: Für Schallereignisse in der Mitte der imaginären Klangbühne, wo in aller Regel im Mastering Studio die Gesangstimme platziert wird, sind leider alle drei Parameter absolut identisch. Ebenso für 180 Grad, also in der Mitte hinter dem Kopf auch, Pegel und Laufzeit lassen dann noch nicht einmal zwischen Mitte vorne und Mitte hinten zu. Ohne die Wandreflexionen, die wir von Konzerten oder Lautsprechern kennen und leichtes Anwinkeln des Kopfes gegenüber der Schallrichtung kann das Gehirn kaum zwischen 0 und 180 Grad unterscheiden. Daraus folgt, dass auch die smarten Shokz nicht vermeiden können, dass man beim Musikhören quasi einer inneren Stimme lauscht. Doch was ihnen vortrefflich gelingt, ist zu beiden Seiten hin das Gefühl eines weiten, glaubhaft vorm geistigen Auge nachvollziehbaren Raums. Chapeau, das ist in dem Bereich zu dem Preis mit den geringen Abmessungen eine beachtliche Leistung.
Gesamtkunstwerk für die Ohren
In Verbindung mit dem bereits erwähnten, druckfreien Tragekomfort entsteht daraus ein Gesamtkunstwerk, das nicht alle, aber viele wesentliche Probleme von Kopfhörern löst. Mit den Shokz OpenFit bleibt man immer mit seiner Umwelt ein Stück verbunden und genießt einen Klang, der entfernt an Lautsprecher im Raum erinnert. Damit macht der Bluetooth-Open-Ear die Head-Fi-Kultur für alle mit chronischer Kopfhörer-Phobie ein ganzes Stück attraktiver.
Doch der OpenFit ist kein Allheilmittel. Seine radikale Open-Ear-Konstruktion, die auch JBL beim Soundgear Sense inspiriert haben dürfte, erfordert auch gewisse Kompromisse. Die betreffen vor allem den Bass-Bereich, aber auch die Mitten- und Höhen-Wiedergabe. Obgleich die ovale Membran eine Fläche bereitstellt, die jene der üblichen In-Ears um ein Vielfaches übertrifft, lässt sich der Druckverlust durch die offene Bauweise nicht völlig kompensieren. Schließlich war der Hauptbeweggrund offensichtlich, einen möglichst kompakten und angenehm tragbaren Sport-Kopfhörer zu schaffen, der einen nicht völlig von seiner Umwelt abschottet. Die luftige Klangwiedergabe scheint hier eher ein gewisser Kollateral-Nutzen zu sein.
Die Shokz OpenFit erfordern ein wenig Rücksichtsnahme
Um es kurz zu machen: In Rock, Pop und bei Electro sowieso gibt es genug Drums und Beats, die den OpenFit ans Limit bringen. Er komprimiert dann und verzerrt damit die Bass-Wiedergabe mitunter schon bei Ausnutzung von 80 Prozent der Lautstärke-Regelung. Das beschneidet den ohnehin im Vergleich zu sportlichen In-Ears wie den Miiego Miibuds Play begrenzten Maximalpegel zusätzlich. Die Dänen profilierten sich im direkten Vergleich darüber hinaus als regelrechte Bass-Monster.
Allerdings besitzt selbst die schlanke Bass-Wiedergabe der Shokz einen besonderen Reiz: Sie ist sehr knackig, mit einem trockenen Kick und damit von ganz anderer Natur als bei den meisten In-Ears, die in der Regel deutlich stärker den Oberbass betonen als die in dieser Hinsicht vorbildlichen Miiegos. An dieser Stelle ein Wort zum Equalizer: Der hat zwar eine 5-Band-Regelung mit Presets für Bass- und Höhenanhebung. Doch gerade vom Bass-Boost möchte ich hier dringend abraten.
Vorsicht mit dem Equalizer
Es liest sich gut, wenn man sagt: „Du kannst ja in der App den Bass anheben, wenn er dir zu dünn erscheint.“ Doch der Equalizer-Einsatz verschlimmbessert das Problem im Tiefron-Bereich letztlich nur und setzt die erzielbare Maximal-Lautstärke noch weiter herab. Von der Höhenanhebung würde ich persönlich ebenfalls Abstand nehmen. Die etwas softe, aber schön luftig anmutende Obertonwiedergabe der Shokz OpenFits fügt sich gut in die harmonische Klangabstimmung ein. Unterm Strich versprühen die kleinen Open-Ears damit ein Stück weit den Charme extrem kostspieliger Elektro- und Magnetostaten wie dem legendären Stax Lambda Professional, den ich vor über 30 Jahren für die HIFI VISION testete.
Der Open-Ear verbreitet einen Hauch von Stax-Appeal
Als Jungredakteur kannte ich dergleichen selbst nur aus solchen HiFi-Zeitschriften und war total überrascht: Die reichlich groß geratenen, rechteckigen Over-Ears verzerrten mit meinen Rock- und Pop-Tracks im Bass recht heftig, sobald man sich der Wonne hingab, den extra für den Stax-Elektrostaten gebauten Vorverstärker mit Spannungsversorgung und der damals revolutionären Diffusfeld-Entzerrung von Dr. Günther Theile vom IRT (Institut für Rundfunktechnik) mal etwas weiter aufzudrehen. Daran hatte sich meines Wissens damals sonst keiner gestört – womöglich auch, weil die meisten ihre Handvoll audiophiler Lieblings-Tracks mit feingehauchter Frauenstimme, Harfe und Triangel oder kleine Streichkonzerte mit kleiner Besetzung hörten.
Ja, hier wiederholt sich in unserem Test die Geschichte: Aufnahmen mit Natur-Instrumenten, gerade auch mit Saiten-Instrumenten klangen über die Open-Ears geradezu magisch, mit famoser Feindynamik und einem sehr großzügigen, authentischen Raumgefühl. Was die Stimmwiedergabe betrifft, entscheidet mitunter ein winziges Verschieben über eine leicht kehlige Verfärbung, die vor allem Frauenstimmen, aber auch manche männliche Vokalisten betrifft.
JBL ging bei den bereits erwähnten Open-Ears Soundgear Sense einen anderen Weg. Deren Open-Ears sind deutlich größer, verdecken auch stärker das Ohr und man kann sie nicht ganz so leicht vergessen, wenn man sie trägt. Damit opfern die Amerikaner sowohl die frappierende Luftigkeit im Klang und Tragegefühl, doch klingen Stimmen und vor allem Bässe voller und bleiben auch bei höheren Abhörpegeln sauber.
Test-Fazit und Alternativen zum Shokz OpenFit
Wie schon den parallel getesteten JBL Soundgear Sense haftet den Shokz OpenFit etwas Magisches an. Der Test ergab: Sie klingen sehr feinperlig und spritzig mit einem schlanken Grundton-Bereich, seidiger Hochtonwiedergabe und einem knackigen Bass, der richtig tief hinabreicht und kickt, sofern man sich im Pegel bei bestimmten Musikstücken zurückhält. Wem das Open-Ear-Konzept gefällt, aber es richtig knacken lassen will im Bass, für den ist der vergleichsweise sperrige, aber vom Sitz durch Gelenke besser anpassbare JBL Soundgear Sense eine überlegenswerte Alternative. Auch dieser Sport-Kopfhörer lässt sich mit Brille kombinieren – allerdings nicht so bequem wie die Shokz.
Wer mehr Dynamik und Klangfülle mag und auf Abschottung von der Umwelt Wert legt, der bekommt mit den Miiego Miibuds Play für 130 Euro eine etwas günstigere Alternative, die im Bass keine Wünsche offen lässt. Allerdings zeigt sich im Alltag mit dem gerne zu Hörvergleichen in der Mittelklasse herangezogenen Bluetooth-In-Ears, dass sie sich mit der Zeit selbst aus dem Gehörgang drücken. Und bei starkem Wind oder Fahrtwind auf dem Fahrrad macht das ANC Geräusche, denen man nur durch Deaktivierung des Noise Cancellings begegnen kann. Damit fällt der theoretische Vorteil der ANC-In-Ears bei vielen Aktivitäten unter freiem Himmel weg. Die Shokz OpenFit bereiten trotz ihrer offenen Bauweise keine besonderen Windprobleme. So ist es zwar Geschmacksache, ob man diese nonkonformistischen Hörer haben möchte. Doch bestimmte Dinge machen diese Open-Ears besser, als das Gros der derzeit erhältlichen Kopfhörer.
Shokz OpenFit Technische Daten
- Preisempfehlung des Herstellers: 200 Euro
- Bauart: Open-Ear
- Wandlerprinzip: Dynamisch
- Gewicht: je 8,3 g, Case 57 g
- Besonderheiten: geschützt gegen Spritzwasser und Staub nach IP54, Headset-Mikrofon
- Mehr unter: www.shokz.com