STEREO GUIDE Testurteil
Der neue Yamaha YH-L700A ist vollgepackt mit High-Tech. Und er klingt in wichtigen Details besser als die Apple AirPods Max.
Vorteile
- konturstarker Bass
- tendenziell warme, humane Abstimmung
- funktioniert auch ohne Strom, komplett passiv
- ANC, 3-D-Sound, App
Nachteile
- rauscht im Bluetooth-Betrieb
- ANC kostet Pegelreserven und mitunter Präzision im Bass
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Klang: Natürlichkeit9
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Klang: Bass/Dynamik9.2
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Praxis/Connectivity9.5
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Preis/Leistung8.6
Apple ist nicht allein auf der Welt, obwohl es manchmal so aussieht. Mit den AirPods Max haben die Meister aus Kalifornien aus dem Stand einen Superkopfhörer geschaffen, der alle Trends der modernen Musikwiedergabe vereint. Das kann nur Apple. Halt – stimmt nicht. Da gibt es jetzt ganz frisch einen starken Verfolger aus Japan. Der neue Yamaha YH-L700A will dem AirPods Max Marktanteile abbeißen. Man schlängelt sich an.
Technik und Funktionen
Mit den fast identischen Ausstattungsmerkmalen und sogar Zugaben. So gibt es „3D Sound Field“. Hier spielt Yamaha seine jahrzehntelange Erfahrung mit DSP aus. Ein digitaler Signalprozessor analysiert das Stereomaster und verwandelt es in ein Mehrkanal-Erlebnis. Plötzlich wird es dreidimensional – mit unterschiedlichen Raumvorgaben. Das hat mit streng-audiophiler Wiedergabe nicht wirklich etwas zu schaffen – aber der Effekt verblüfft, da entsteht ein ganz neues Klanggefühl. Wirklich toll umgesetzt von Yamaha. Dazu noch ein weiterer Fachbegriff: „Listening Optimizer“. In den Hörmuscheln sitzen Mikrofone, die die Reflexionen des Außen- und Innenohrs erfassen.
Mit ihrer Hilfe kann Yamaha den Klangeindruck auf das individuelle Ohrenpaar faktisch maßschneidern. Das sind Hochleistungscomputer auf unseren Ohren. Es geht nicht nur um die perfekte Datenverarbeitung – alles muss auch in Echtzeit geschehen. So versteht sich der Yamaha YH-L700A auch auf „Head Tracking“. Sobald wir den Hörer einschalten oder auf den Schädel aufsetzen, so erkennt er die Front – das ist fortan der Maßstab. Schwenken wir den Kopf nach links oder rechts, so beharrt der Kopfhörer immer auf der einmal justierten Mitte. Praktisches Beispiel: Einfach den YH-L700A per Bluetooth mit dem Fernseher verbinden – und die Sound-Achse wird festgeschraubt. Klasse.
So klingt der Yamaha-Kopfhörer
Apropos Bluetooth: Hier hat Yamaha den höchsten aktuellen Standard etabliert. 5.0 mit aptX Adaptive. Viel Vergleichbares kann auch der Max von Apple aufbieten. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: Wenn der Apple keinen Strom mehr hat, dann wird es dunkel und still. Kein Ton erreicht mehr unsere Ohren. Der Yamaha hingegen funktioniert auch völlig passiv. Also beispielsweise in unserem Testaufbau einen großartigen, portablen Musikplayer Cayin N3 Pro per 3,5er-Klinkenkabel andocken – und wir können hören, bis der Nachtzug in Paris einfährt.
Und tatsächlich: In diesen klassischen Aufbau klingt der Yamaha YH-L700A in mancherlei Hinsicht am besten, zumal dann auch das Rauschen im Gegensatz zum Bluetooth-Betrieb kein Thema ist. Ein Fest. Die Abstimmung ist maximal human. Nie hart in den Höhen. Hochinformativ und mit einem sattem Druck in der Tiefe. Die Japaner sind offenbar Fans des konturenstarken Basses. Allerdings kostet ein solcher HiRes-Audio-Player mit potentem Headphone-Amp noch mal mehr als der Hörer selbst. Am Kopfhörer-Ausgang eines iPhones wirkte der Klang am Kabel harsch und im Bass deutlich unterbelichtet. In diesem Fall bleibt die mitgelieferte „Rettungsleine“ nur eine Notlösung, um den High-Tech-Hörer mit leeren Akkus überhaupt noch weiterverwenden zu können.
Gadgets mit Maß verwenden
Und noch eine kritische Nachricht. Natürlich versteht sich dieser Kopfhörer auch auf die aktive Unterdrückung von Umweltgeräuschen. Wenn wir beispielsweise in der U-Bahn oder im Flugzeug sitzen. Yamaha nennt es „Advanced ANC“. Doch das ist nicht perfekt gelungen. Nach meinem Geschmack wird der Klang damit bei höheren Pegeln etwas wattig und um die Kern-Dynamik beraubt. Bei besonders starken Bass-Impulsen kann es dann sogar zu leichten Verzerrungen als Folge von Überbeanspruchung der Treiber kommen. Da sollte Yamaha nochmals die Schraube ansetzen – was beispielsweise per Software-Update gelingen kann.
Was indes wirklich beeindruckend gelang: In Verbindung mit der Yamaha Headphones App und dem 3D-Klang entwickelt der YH-L700A im Aktiv-Betrieb eine Räumlichkeit und Transparenz, die einen glatt vergessen lässt, einen Kopfhörer auf den Ohren zu tragen. Die Impulsivität und der Punch im Bass begeistern dabei genauso wie die feinperligen Höhen und die neutrale Stimmwiedergabe.
Auch das Head Tracking ganz ohne zusätzliche Sensoren oder langatmiges Setup verblüfft in dieser Konstellation. Es eignet sich perfekt zum Aufdrehen mit Musikvideos oder Action-Filmen zu später Stunde und lässt noch mehr vergessen, dass man nicht vor einer Konzertbühne oder zumindest einem Paar Lautsprecherboxen sitzt. In Situationen, in denen man den Kopf viel bewegt, wirkt die richtungsabhängige Balance-Verschiebung schon mal etwas artifiziell. Hier gilt also ein maßvoller Einsatz dieses genialen Gadgets, etwa, wenn man ruhig vorm Fernseher sitzt.
Testfazit und Alternativen zum Yamaha YH-L700A
Versuchen wir ein Fazit. Mit 550 Euro ist der Yamaha YH-L700A kein Preisbrecher. Aber auch mit dieser Summe konkurriert mit dem größten Apple-Kopfhörer, dem AirPods Max (613 Euro). Die Kaufentscheidung ist überraschend einfach. Wer ganz tief, bis an die Wurzeln, in der Apple-Gemeinschaft verbunden ist, wird über die AirPods Max immer das schönste und eleganteste Klangerlebnis erhalten. Wer sich von der anderen Seite anpirscht: Der YH-L700A ist für ihn dann einer der besten Kopfhörer auf dem Weltmarkt. Wir können mobil sein. Wir können daheim horchen. Wir können per Bluetooth oder Kabel. Toll die Abstimmung, richtig audiophil und reich. Perfekt der Sitz auf den Ohren, ohne jedwede Ermüdungserscheinungen. Wirklich ein Freund für lange Jahre.
Technische Daten Yamaha YH-L700A
- Preisempfehlung des Herstellers: 550 Euro
- Gewicht: 330 g
- Besonderheiten: Freisprech-Mikrofon für Anrufe und Sprachassistenten, Bluetooth aptX Adaptive, ANC, Head Tracking, 3D Audio, Faltmechanismus, Hardcase
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