Die Elektromobilität bedeutet wirklich eine Verkehrswende. Der neue Volvo EX90, den ich kürzlich im Rahmen der Wintertestfahrten in Hamburg kennenlernte, ist zwar das größte SUV der Schweden. Mit einer Beschleunigung von 4,9 Sekunden 0 auf 100 Stundenkilometer in der von mir gefahrenen Twin-Motor-Performance-Variante mit 517 PS lässt er aber trotzdem viele schnittige Sportcoupés stehen. Dafür hängt ihn aber ausgerechnet das kleinste Elektro-SUV aus dem eigenen Hause ab. Der EX30, den ich letztes Jahr getestet habe, brauchte für den Standard-Sprint nämlich nur 3,6 Sekunden. Dafür muss der kleine Stromer mit einem Harman Kardon Sound-System Vorlieb nehmen, während der Volvo EX90 als Top-Modell unter den BEVs mit Bowers & Wilkins und Dolby Atmos aus dem Vollen schöpft.
Damit hält der EX90 aus meiner Sicht gleich zwei Trümpfe, denn ich schätze es neben der besonders audiophilen Car-Audio-Ausstattung sehr, dass er meinem klassischen Coupé mit Ottomotor um ein paar Wimpernschläge beim Beschleunigen den Vortritt lässt. Sonst kommt man sich nach der Testfahrt so alt und abgehängt vor.



Hören auf die feine englische Art
Was das Sound System von Bowers & Wilkins betrifft, kam es schon beim Blick auf das Datenblatt zu einem Déjà-vu: Vier 2,5 cm große Nautilus-Doppel-Dom-Hochtöner sitzen in den vorderen und hinteren Türen. Ein fünfter fungiert als zentraler „Tweeter on Top“ für den Center-Kanal über dem Armaturenbrett. Diese Anordnung reduziert Reflexionen an der Windschutzscheibe und richtet den Klang gezielt auf die Passagiere. Der mittig platzierte Hochtöner greift zudem das Design der Nautilus-Serie auf – ein klarer Verweis auf die High-End-Wurzeln des Systems.

Für saubere Mitten sorgen zwei 10-cm-Continuum-Tieftöner in den vorderen Türen. Sie unterdrücken störende Resonanzen und lassen Stimmen sowie Instrumente klar und ausgewogen klingen. Das spezielle Membranmaterial verwendet Bowers & Wilkins auch der 800-D4-Serie – den Topmodellen der britischen Marke im HiFi-Lautsprecherbereich. Ergänzt wird das durch fünf weitere Continuum-Mitteltöner (je 8 cm) im Armaturenbrett, den hinteren Türen und im Dachhimmel, die einen gleichmäßigen Klang auf allen Sitzplätzen sicherstellen.
Für Dolby-Atmos Raumklang sorgen vier 4-cm-Breitband-Lautsprecher aus Aluminium im Dachbereich. Zusätzlich stecken weitere vier dieser Treiber in den vorderen Kopfstützen – ein cleveres Detail, das Surround-Effekte, Navigationsansagen und Warnsignale direkt ans Ohr bringt.
Bowers & Wilkins versteht wirklich Bass
Beim Bass lässt sich das System ebenfalls nicht lumpen: Vier 17-cm-Langhub-Woofer in den Türen liefern das nötige Fundament. Im Kofferraum sitzt ein 25-cm-Tieftöner mit Neodym-Antrieb, der als „Fresh Air Subwoofer“ funktioniert – mit nach außen geführter Bassreflexöffnung. Selbst auf der Rückbank war das Modul im Test nicht als Klangquelle auszumachen, das Tieftonfundament blieb dennoch spürbar. Angetrieben wird das Ganze von einem 25-Kanal-Verstärker mit satten 1.610 Watt Leistung.
Woher kennen wir das nur? Das System entspricht in den Grundzügen der Sound-Anlage des Polestar 3, den ich letztes Jahr in Madrid und den Bergen im Umland fahren konnte. Schließlich teilen sich beide Fahrzeuge der zum chinesischen Geely-Konzern gehörenden Marken die gleiche Fahrzeugplattform. Was sich erst beim Betreten der von einem großen zentralen 14,5-Zoll-Touchscreen und glattflächigem Design geprägten Fahrzeugkabine erschließt: Es gibt offensichtlich bei der Positionierung der Treiber einen nicht ganz unwesentlichen Unterschied. Während die Nautilus-Doppel-Dom-Hochtöner beim Polestar 3 in den vorderen Türen im Spiegeldreieck platziert wurden, sitzen sie beim Volvo EX90 weiter unten in den Türen hinter einer gemeinsamen Blende für die Continuum-Mitteltöner.
Die beiden Fotos zeigen den Unterschied zwischen B&W im Volvo und Polestar


Diese Anordnung hat den Vorteil, dass die beiden Treiber auf jeder Seite so dicht wie möglich zusammenrücken. Das ermöglicht es dem Bowers & Wilkins System im Volvo EX90,, die Mitten und Höhen fast aus einem Punkt wiederzugeben – also jene Frequenzen, die für die Ortung und Abbildung von Stimmen und Instrumenten entscheidend sind.
Dafür bieten die Tweeter in den Spiegeldreiecken andere Vorteile, die für die Hochtonwiedergabe zählen: Der Abstrahlwinkel ist günstiger, ganz besonders für den jeweiligen Hochtöner auf der gegenüberliegenden Seite des jeweiligen Sitzes. Obendrein bilden die vorderen Türhochtöner im Polestar 3 eine Ebene mit dem „Tweeter on Top“ auf dem Armaturenbrett. Das bietet ideale Voraussetzungen für das Staging.
Zurück aus der Zukunft


Natürlich hat Volvo in dem wahlweise mit fünf, sechs oder sieben Sitzen erhältlichen EX90 wieder einige Features für Freunde elektrischer Gadgets versteckt. Und damit meine ich nicht den 517 PS starken E-Antrieb, der die 2,75 Tonnen schwere Twin-Motor-Performance-Variante in den eingangs erwähnten 4,9 Sekunden aus dem Stand auf 100 Sachen beschleunigt.
Die Rede ist von Features wie Lenkradverstellung via Touch-Screen-Menü oder Touch-Befehl zum Öffnen des Handschuhfachs. Und auch die Fahrassistenz-Systeme mit Lidar-Sensor-Unterstützung sind der technische Overkill. Schließlich hat sich Volvo noch mehr als andere Hersteller dem Ziel verschrieben, dass in Zukunft keine Menschen mehr in einem neuen Volvo getötet oder schwer verletzt werden. In diesem Zusammenhang scheint immer durch, dass Fahrzeugbauer ihre schönen neuen Technologien für perfekt halten und den Menschen eher als Störfaktor beim Autofahren betrachten.
Du darfst – echt jetzt?
Nicht nur, weil ich das generell anders sehe, sträubte ich mich auf der Testfahrt auf einer vierspurigen Straße in Hamburgs Innenstadt, das unmoralische Angebot des EX90 anzunehmen: Ich schrieb die, im kleinen Display an der Lenksäule angezeigten 100 km/h dem frühen Entwicklungstand der Schildererkennung des Testwagens zu. So fuhr ich dem menschlichen Instinkt folgend nur Tempo 50 wie alle anderen. Mein Beweisfoto machte ich dann auch nicht für den Fall eines Knöllchens, sondern als Gadget-Gag für meinen Testbericht. Immerhin muss ich dem digitalen Fahrassistenten zugute halten, dass er wenigstens vor Fußgängern gewarnt hatte…

Doch unabhängig von der erlaubten Höchstgeschwindigkeit zeigte sich einmal mehr, wie sehr einen elektrisches Gleiten ungeachtet rennwagenwürdiger PS-Zahlen beruhigt. Das gilt für den Volvo EX90 ganz besonders. Das Fahrgefühl hat etwas von über den Dingen beziehungsweise über dem Asphalt zu schweben, etwas Sänftenartiges, Entkoppeltes. Die mit kunstvoll gemachtem Kunstleder bezogenen Sitze sind auch für Veganer genießbar und zudem sehr komfortabel gestaltet.
Was die Konnektivität betrifft, sind die Funktionen von Android Auto im Grunde schon eingebaut. Schließlich setzt Volvo seit einigen Jahren auf ein Android-User-Interface. Die Schweden nutzen sogar die Google-Navigation, die ihre Daten mit 5G-Mobilfunk aktualisiert. Im EX90 gibt es eine Ladeschale in der Mittelkonsole und sowohl USB-C-Buchsen für vorne und den Fond. Was ich sehr gelungen finde, ist das edel anmutende Lautstärke-Rad mit integrierter Drucktaste für Start und Stop. Der elektrische Volvo unterstützt aber trotzdem auch Apple CarPlay.

Sound-Test: Im Grenzbereich mobiler Klangwiedergabe
Weil ich unsere aufwendigen Car-Audio-Testberichte immer etwas übers Jahr verteile, debütierte mein Video zum Volvo EX90 samt meinem Fazit zum Bowers & Wilkins Sound System mit Dolby Atmos im lesenswerten Fahrbericht von Michael Blumenstein auf autoflotte.de. Für alle besonders an HiFi im Auto interessierten kommen hier meine ausführlichen Höreindrücke. Dabei gilt es, zu bedenken: Beim Volvo EX90 fiel mir nur aus einem Grund nicht die Kinnlade herunter. Und zwar deshalb, weil mir das schon beim Polestar 3 passierte und ich entsprechend vorbereitet war auf eine beeindruckende Performance.
Das Bowers & Wilkins Soundsystem im EX90 lieferte mit seinen mehr als zwei Dutzend Lautsprechern und Dolby Atmos eine immersive Klangbühne, welche die Dimensionen des knapp 1,97 Meter breiten Fahrzeugs in akustischer Hinsicht sprengte. Wow! Das hebt Hören im Auto auf ein ganz anderes Level, als es Surround oder gar Stereo vermögen. Statt einzelne Schallquellen wahrzunehmen – etwa die Treiber in den Kopfstützen oder die Effektlautsprecher in den Dachkanälen – taucht man komplett in den Raumklang ein. Mit Dolby Atmos und passenden Mehrkanal-Titeln vom Streaming-Dienst Tidal entsteht das Gefühl, sich in einem echten Konzertsaal zu befinden. Die imaginäre Bühne hebt sich hörbar über das Armaturenbrett und reicht in Breite und Tiefe weit über die Kabine hinaus.
Elektroantrieb und immersiver Sound – das perfekte Paar
Während man bei vielen Anlagen während der Fahrt genau hinhören muss, reicht hier oft ein Moment, um Gänsehaut zu bekommen – dank der plastischen Räumlichkeit, die die Height-Kanäle erzeugen. Der flüsterleise Antrieb des EX90 spielt dem 3D-Sound dabei perfekt in die Karten. Stimmen und Instrumente wirken oft, als kämen sie von außerhalb des Fahrzeugs – gemeinsam mit dem Polestar 3 ein echtes Highlight unter den derzeit erhältlichen Systemen.
Klanglich orientiert sich das serienmäßige 3D-Soundsystem an der Bowers & Wilkins 800-D4-Serie. Für alle, die nicht in der HiFi-Blase leben: Das sind Lautsprecher, die man sonst in Mastering-Studios findet. Etwa in den legendären Abbey Road Studios, wo unter anderem die Beatles-Klassiker abgemischt wurden. Als Hommage haben Harman, die gemeinsam mit Volvo für die Implementierung der Bowers & Wilkins Systeme in den Fahrzeugen der skandinavischen Marke verantwortlich zeichnen, ein Klang-Preset mit dem akustischen Fingerabdruck der legendären Londoner Studios ausgetüftelt. In den Testfahrzeugen war es allerdings noch nicht aufgespielt. Es kam erst später via Over-the-Air-Update an Bord.



Same, but different
Trotz der weitgehend gleichen Hardware-Basis fügten sich die Höhen im Volvo noch harmonischer ins Klangbild ein, als beim Polestar. Bei dem hatte ich das Gefühl, das System würde sich im Hochtonbereich eine kleine Extraportion Glanz gönnen, die bewusst zeigt: Hier spielt kein gewöhnliches Setup. Ob es an den geänderten Positionen der Hochtöner in den vorderen Türen liegt, an der Klangabstimmung im DSP oder an beidem zusammen, lässt sich so nicht sagen.
Umgekehrt überkam mich nach der Testfahrt das Gefühl, dass dafür im Polestar 3 die Breite und Plastizität der Bühnenabbildung noch etwas spektakulärer war.
Bei audiophilen Aufnahmen – etwa minimalistisch arrangierten Stimmen mit Naturinstrumenten – brilliert die Anlage mit Detailreichtum und emotionaler Tiefe. Bei komplexen Rocksongs oder dichter Stimmenwiedergabe kann der Sound im Polestar tonal etwas nüchterner als im Volvo wirken. Aber das ist Kritik auf höchstem Niveau.
Der Bass kickt richtig gut
Der Bassbereich überzeugt ebenfalls: Die dynamische Performance überzeugt durch Punch und Präzision. Zwar steht der Volvo EX90 seinem Schwestermodell von Polestar nicht nach. Allerdings regten sich bei sehr hohem Pegel mit den Tracks unserer speziellen Qobuz-Playlist „STEREO GUIDE extreme Bass Test“ an unserem Testwagen mitunter etwas die Türverkleidungen ins Klanggeschehen ein. Allerdings sollte dieses Problem bis zur Auslieferung der Serienfahrzeuge behoben sein. Dann steht neben der traditionellen Concert Hall aus Volvos Heimatstadt Gothenburg auch das Klang-Preset der Abbey Road Studios bereit, das ich leider auf meiner Testfahrt noch nicht ausprobieren konnte.
Allerdings sind solche Effekte ohnehin Geschmacksache und das sehr ausgewogen abgestimmte 3D Sound System von Bowers & Wilkins gefällt mir „pur“ außergewöhnlich gut. Was sich natürlich im Sinne einer noch besser fokussierten Abbildung empfiehlt, wenn man alleine im EX90 unterwegs ist: Im „Fokus“-Menü den Fahrersitz als Hörposition auszuwählen, steigert gegenüber den Einstellungen für „Alle“, „Vordersitze“ oder „Rücksitze“ noch mal die Konturen der einzelnen Klangkörper und verbessert die Bühnendarstellung. Die Lösung, die Volvo verwendet, ist viel praktischer, als die Fader-Balance-Regler in vielen anderen Fahrzeugen. Es geht schneller, einfacher und setzt keine besonderen HiFi-Kenntnisse voraus. Auf diesen Punkt bin ich auch kürzlich in einem Interview für das Volvo Blog in der Schweiz genauer eingegangen.

Volvo EX90: Fazit
Der Volvo EX90 und der auf der gleichen Plattform basierende Polestar 3 sind gerade von ihrem Bowers & Wilkins Sound Systemen sehr dicht beisammen. Und sie positionieren sich mit 97 Prozent Gesamtpunktzahl am oberen Ende unserer Bewertungsskala.
Ein Preisvergleich ihrer Sound-System ist schwierig, denn beim EX90 bekommt man den B&W-Sound für sehr moderate 3.050 Euro Aufpreis, während er beim Polestar 3 Teil eines doppelt so teuren Technik-Pakets ist, zu dem auch zahlreiche weitere nützliche Dinge wie Head-up-Display, Infrarot-Windschutzscheibe oder Akustik-Verglasung der unteren Heckscheibe zählen. Doch im Vergleich zu Oberklassefahrzeugen wie dem BMW iX (ebenfalls B&W) oder Audi A8 (B&O) sind beide Bowers & Wilkins Audio-Systeme sehr günstig.
Und wem die High-Fidelity-Lösung des britischen Lautsprecher-Spezialisten trozdem zu teuer ist, für den gibt es im EX90 zum Trost immerhin ein Bose Premium Sound System mit 14 Kanälen und 760 Watt als Trostpflaster.
STEEO GUIDE Testurteil
Der Volvo EX90 mit immersivem Dolby Atmos verteilt 1.610 W auf 25 Lautsprecher für einen Raumklang, der sogar die üppigen Dimensionen des Elektro-SUVs sprengt. Und das zu einem, gemessen an Aufwand und Klangqualität sehr moderaten Aufpreis.
Vorteile
- Exzellente dreidimensionale Raumdarstellung dank Dolby Atmos
- Hervorragende tonale Ausgewogenheit
- Druckvolle, saubere Basswiedergabe
- Hervorragende Performance fürs Geld
Nachteile
- Bedienung extrem auf Touchscreen fixiert
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Klangqualität9.3
-
Preis/Leistung Sound-System10