Gewöhnlich sind Traumwagen immer teuer, groß und maskulin. Und die Anlagen darin sind ebenfalls äußerst kostspielig, verschlingen einen fünfstelligen Betrag und protzen mit fünfstelligen Leistungsdaten. Wie es auch anders geht, zeigt die Kombination aus Mini Cooper S und Harman/Kardon. Hier gibt es ganz großes Auto-Kino zum verhältnismäßig kleinen Preis. Das gilt zumindest, wenn man den 3,85 Meter langen Briten nicht mit anderen Kleinwagen vergleicht – wozu seine Form und Funktion natürlich einladen. Doch was die Dynamik und Emotionalität von Auto und Anlage betrifft, wildert das 192 PS starke Kraft-Wägelchen im Revier reinrassiger Sportwagen. Dort galten nämlich bis vor gar nicht langer Zeit Attribute wie Straffreiheit, Direktheit als essenzielle Zutaten. Und allem voran, niedriges Gewicht . Doch im Zuge des Konkurrenzkampfs und der Gier nach immer größeren Zielgruppen haben gerade die deutschen Premiumhersteller diese uralte Erfolgsformel unterlaufen.
Vor allem der flächendeckende Einsatz von Turbolader ließ die Leistung in den letzten zwei Dekaden geradezu explodieren. Gleichzeitig trieb der mangelnde Wille zum Verzicht auf überflüssige Gimmicks wie elektrische Sitzverstellung nebst -Belüftung das Gewicht immer weiter hoch. Zu allem Überfluss macht die fortschreitende Elektronikentwicklung solche nicht selten 400, wenn nicht sogar über 500 PS starken Boliden weit gehend Idioten sicher. Dann braucht es nur noch ein prall gefülltes Konto, eine breite, gerade deutsche Autobahn und gute Nerven. Das genügt inzwischen, um ehrfurchtgebietende Geschwindigkeiten auf den Tachometer zu zaubern. Doch hier in der Schweiz gibt es strenge Tempolimits, enge Kurven und hohe Berge. Wo sonst, wenn nicht hier sollte man ein Auto wie den im letzten Jahr neu aufgelegten Mini Cooper S gebührend zu schätzen lernen?
Wer sich von den drolligen Kulleraugen nicht täuschen lässt und darin eine reichlich teure, stylische Alternative zu Opel Corsa und VW Polo sieht, findet darin eine erschwingliche Sportwagenalternative mit praktischer Heckklappe und großen Nutzwert.
Ganz schön groß geworden
Natürlich wuchs auch der Mini in der dritten Auflage nochmal ein ganzes Stück in den Abmessungen. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass er sich die Plattform mit der F40-Generation des 1er BMW mit Frontantrieb teilt. Doch rund 1200 Kilo sind in bei knapp 200 PS und dem Drehmoment eines in jeder Lage souveränen 2-Liter-Turbo-Aggregats von der bayerischen Konzernmutter heutzutage ein äußerst rares Vergnügen. In Verbindung mit einer Direktheit und Federhärte, die BMW heute seinen übrigen Kunden nicht einmal ansatzweise zumuten möchte, ergibt das einen riesigen Fahrspaß. Unvoreingenommen betrachtet, erinnert der Super-Cooper eher an letzte „ehrliche“ Großserien-Sportwagen wie Porsche Cayman und Porsche Boxter. Die sind aber gerade inklusive beliebter Extras deutlich teurer. Entfernt weckt der Mini sogar Erinnerungen an Exoten wie den Lotus Elise, deren Komfort und Alltagsnutzen allerdings stark gegen Null tendieren.
Beim neuen Fahrwerk, das eine ganze Nummer erwachsener und ausgewogener wirkt als bisher, kann man sich am Stammtisch über die subjektiven Sportlichkeits-Aspekte natürlich leidenschaftlich streiten. Doch alle nüchternen Zahlen sprechen eindeutig für die neue Generation . In Sachen Infotainment gibt es kein wenn und aber. Hier sorgt die neue gemeinsame Plattform für Mini und BMW 1er Reihe für einen gewaltigen Innovationsschub. Der kleine Brite erbte die ganzen Segnungen zeitgemäßer Technologie. Dazu zählt besonders das inzwischen kaum zu übertreffenden IDrive-Konzept mit Dreh- und Drücksteller auf der Mittelkonsole von seinem bayerischen Halbbruder. Allerdings, und das gefällt mir ganz besonders, setzten die Entwickler im Mini alles mit einem unübersehbaren Augenzwinkern um. Wenn man sich nach einer ausgiebigen Testphase mit dem Mini Cooper S wieder in einen BMW setzt, wirkt das etwa so nüchtern und streng, als würde man aus einem angesagten Music Club in einen Hörsaal der Uni umziehen.
Alles so schön bunt
Der als Split Screen nutzbare zentrale Farbbildschirm der Mini Cooper S wird eingesäumt von einem mehrfarbigen LED-Leuchtelement im Wurlitzer-Look. Damit untermalen die vom Spieltrieb befallenen Designer alle möglichen Funktionen des Autos. Dabei durften Apple-Fans ihre helle Freude am pulsierenden Licht haben, das an der Ampel bei abgeschaltetem Motor wie am Mac-Notebook die Schlummerfunktion vermenschlicht. Beim automatischen Motorstart wechselt die Farbe dann von Grün auf Rot. Ebenso witzig untermalt der Mini am Bildschirm den Wechsel zwischen den drei Fahrmodi. Als ich in den Sportmodus umschalte, um das Ansprechverhalten von Motor und Automatik-Getriebe meinem bevorzugten Fahrstil anzupassen, bekam der ansonsten ernste Kollege auf dem Beifahrersitz einen Lachkrampf. Er zückte sein Handy, um die auf dem Bildschirm angezeigte Illustration von einer Denkblase mit einem Gokart und einer Rakete mit der Kamera festzuhalten. Demgegenüber zog die Lightshow er missgünstige Blicke von Mitfahrern auf sich und provozierte unfreiwillige Lacher sowie Sinndiskussionen.
Solche etwas bemühten Einfälle wecken letztlich nur den Verdacht, dass es den Produktplanern bei Mini vor allem darum ging, auf gar keinen Fall den Eindruck zu erwecken, der Mini sei in der dritten Generation richtiggehend erwachsen und vernünftig geworden. Doch zur Abschreckung älterer Semester taugt das verspielte Extra nur bedingt. Zum einen, weil sie es entweder wie ich ganz lustig finden. Oder weil sie es in den intuitiv beherrschbaren iDrive-Menüs nach Belieben dimmen oder ganz deaktivieren können.
Harman/Kardon rockt den Mini
Wer jetzt glaubt, dass Harman/Kardon-System des Mini Cooper S sei ebenfalls zur Abschreckung der Generation Ü30 ausgelegt, der dürfte über die sehr neutrale und breitbandige Abstimmung überrascht sein. Das 800 Euro teure HiFi-System mit seinen 12 Lautsprechern leistet sich nur marginale Schwächen. Es harmoniert mit absolut jedem Hörgeschmack inklusive Klassik. Das liegt maßgeblich am Einsatz vergleichsweise hochwertiger Treiber. Die arbeiten sehr linear und fügen dem Musiksignal nur minimale Verzerrungen oder gar Verfärbungen hinzu. Vor allem aber begeisterte mich dieser extrem tiefreichende und dabei äußerst kontrollierte Bass. Wo gerade bei kompakten, sportlichen Autos im Bereich um 100 Hz mächtig übertrieben wird, um darüber hinweg zu täuschen, dass die unteren Oktaven völlig unterbelichtet bleiben, ist hier wirklich noch Substanz vorhanden.
Dieses wesentliche Plus verdankt der Mini der gemeinsamen Plattform mit dem BMW 1er. Die UKL-Plattform bringt Segnungen wie den so genannten Zentralbass mit sich. Hinter diesem Begriff versteckt sich eine wegweisende Subwoofer-Konstruktion,. Deren 21,7 Zentimeter große Tieftöner verstecken sich unter den Vordersitzen, um das Volumen der Türschweller als Gehäuse zu verwenden. Schlicht umwerfend empfand ich die daraus resultierende Performance bei Elvis Costello. Von dem Briten hörte ich den Song „Watching The Detectives“ in mehreren Live-Version auf dem perfektvia Bluetooth oder USB ins Bedienkonzept integrierbaren iPhone habe. Dabei erzeugte das gerade mal offiziell mit 400 Watt angegebene Audio-System eine packende, explosive Wiedergabe der Bass Drum. Nicht nur in der vom Album „My Aim Is True“ stammenden Einspielung, nebenbei bemerkt. Durch das hohe Auflösungsvermögen der über Metall-Matrix-Hochtöner und 10-cm-ALumaprene-Mitteltöner verfügenden Zweiwege-Systeme wähnte man sich auch jedes Mal in einem anderen Saal. Für eine Auto-Anlage, noch dazu in dieser Fahrzeugklasse, eine echte Überraschung.
Center darf nicht fehlen
Die Entwickler spendierten dem Kleinwagen sogar noch einen Center-Speaker in der Mitte des Armaturenbretts zur Stabilisierung der Hörbühne. Allerdings untergräbt ausgerechnet die Spendierfreude an anderer Stelle dieses Bestreben: Die vollwertigen Fond-Lautsprecher wirken kontraproduktiv. Der Grund: Es handelt sich um einen reines HiFi- und nicht um ein Multikanal-Surround-System. Deshalb bekommen die direkt hinter den Vordersitzen angeordneten Zweiwege-Systeme das gleiche Signal wie die in den Türen. Das lässt ungea. Das erzeugt im wesentlichen den Klangeindruck eines riesigen Kopfhörers. Oder eben den eines elektrisch verstärkten Rockkonzerts beziehungsweise eines Music Clubs, wo es auch keine klar definierte Hörbuhne gibt. In dieser Klasse kann man allerdings getrost von Luxussorgen sprechen.
Feinschliff im Detail
Ein weiterer Kritikpunkt einer früheren Testfahrt wurde hingegen inzwischen von den Entwicklern aufgegriffen. Auf rauen Straßenbelägen oder mit lauter Musik begann das mit reichlich Spiel eingepasste Abdeckgitter gelegentlich zu schwirren. Das wirkte im ersten Moment wie Verzerrungen der Mitteltöner. Doch die können in Wirklichkeit eine ganze Menge ab, was auch gerade angesichts der moderaten Leistungsangabe zu einem Stirnrunzeln führte. Das dürften so ziemlich die lautesten 400 Watt der gesamten Branche sein. Wer noch nicht das Geld für ein freistehendes Haus und eine exorbitant teure High-End-Anlage zusammengespart hat, findet hier eine einzigartige Möglichkeit für kleine Fluchten aus dem Alltag.
Egal wie gestresst oder genervt ich vor dem Einsteigen war. Der Mini machte mir jedes Mal aufs Neue nach wenigen Metern gute Laune. So mühelos wie die Anlage eine schier aberwitzige Dynamik aus dem Ärmel schüttelte, so schwerelos zog der Mini beim Anfahren oder beim Zwischensprint aus niedrigen und mittleren Drehzahlen davon. Man kann getrost sagen: Hier zahlt sich die Formel aus, mit einer vierzylindrigen 2-Liter-Turbo-Kanone auf Spatzen zu schießen. Eine derartige Leichtigkeit und Souveränität lässt sich erst wieder in viel höheren Sphären der Automobilwelt mit sechs, acht oder zwölf Zylindern plus jeder Menge Hubraum erleben.
Gemessen am Fahrerlebnis geht der Verbrauch, der bei mir zwischen knapp über acht und knapp unter 10 Litern pro 100 Kilometern schwankte, durchaus in Ordnung. Allerdings schaffte ich die Minimal-Verbräuche, die mit meinem eigenen Cooper S der 2. Generation möglich waren, während der Testphase nicht einmal im Ansatz. Aber offen gesagt: Der Neue spielt auch in jeder Hinsicht in einer anderen Liga als der bei hohen Geschwindigkeiten zappelig auf der Straße herum tanzende und im direkten Vergleich längsdynamisch regelrecht träge wirkende Vorgänger.
Fazit Mini Cooper S mit Harman/Kardon
Mit meinem Mini Cooper S Cabriolet der ersten Generation schaffte ich spielend den doppelten Verbrauch. Und das sogar bei deutlich weniger Performance. Von der Anlage und aufpreispflichtigen Extras wie Head-up Display mal ganz abgesehen: BMW schuf den besten Mini aller Zeiten. Mit einem mitreißenden Sound-System, dessen Performance man in vielen ausgewachsenen Limousinen vergeblich sucht. Die inzwischen leider ausgestorbenen geraden, klimafreundlichen steil stehenden Scheiben tragen für mich einen weiteren Teil zum Reiz dieses Ausnahmeautos bei. Was nützt die beste Klimaanlage, wenn dir die Sonne durch riesige gebogene Glasflächen auf dem Arm brenntt? Jetzt können die Verantwortlichen für mich allerdings die Weiterentwicklung getrost einfrieren. Sonst rollt der junge Wilde eines Tages so riesig, geschliffen und auf Mainstream getrimmt wie ein 3er auf den Hof.
- Preis Mini Cooper S 3-Türer: ab rund 27.000 Euro
- Preis Harman/Kardon Sound-System: 800 Euro
- Zum Konfigurator: www.mini.de
Stereo Guide Bewertung
+ Ausgewogene Klangabstimmung
+ Fahrspaß in reziproker Relation zu den Abmessungen
+ Sogar Amazon Alexa lässt sich neben der sehr guten Sprachsteuerung im Mini nutzen
– Räumlichkeit der Wiedergabe etwas diffus
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Klang: Natürlichkeit7
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Klang: Bass / Dynamik9.0