STEREO GUIDE Testurteil
Der Sennheiser Momentum 4 Wireless bietet hervorragendes ANC und einen audiophilen, natürlichen Klang ohne Showeffekte.
Vorteile
- neutrale, ehrliche Abstimmung
- Auflösung und Transparenz Weltklasse
- tiefer, trockener Bass ohne Show und Wummern
- ANC effektiv bis in den unteren Frequenzbereich
Nachteile
- App nicht so stabil/umfangreich
- klingt zuweilen etwas unspektakulär
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Klang: Natürlichkeit / Transparenz9.3
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Klang: Bass / Dynamik9
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Praxis / Connectivity8.8
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Preis/Leistung9.6
Huch. Da bin ich wirklich überrascht. Der zum Test angetretene neue Sennheiser Momentum 4 Wireless ist auf den ersten Blick ein Bruch mit der Design-Kontinuität. Eine Revolution? Von Markenfans liebgewonnene Details wie die außen ansetzenden, dicken Metallbügel – aufgegeben. Die massigen Hörmuscheln wie in den 1970ern, dazu individuellen Farben – gibt es nicht mehr, mattes Schwarz oder mattes Weiß stehen zur Auswahl. Das Leder wich Pastikschalen mit einem stylishen Stoffbügel. Die Generation vier des Sennheiser Momentum True Wireless erscheint uns optisch stromlinienförmig und bricht mit Traditionen.
Modern, aber unter Verlust der historischen Identität? Da ist etwas dran. Zum einen ist der Momentum True Wireless 4 das technologische Sahnestück des Portfolios: Hybrid-ANC, 60 Stunden Akkulaufzeit, automatische Anpassung des Noise-Cancellings an die Situation der Umgebung. Zum anderen weht hinter den Kopfhörerprodukten von Sennheiser ein frischer Wind in der Unternehmensstruktur: Der Schweizer Konzern Sonova verantwortet sie, und will erkennbar an die Innovationsspitze.
Zurück in die Zukunft
Aber nicht ohne die vorhandenen Technologien. Ein 42-mm-Breitbandtreiber klassischer Bauart mobilisiert die Klänge in Richtung Genießerohr. Die meisten Hörer werden Bluetooth als Zuspielung bevorzugen. Hier kann qualitativ volle Ausstattung vermeldet werden: Die hochwertigen Codecs AAC, aptX und aptX Adaptive sind an Bord. Sowohl iPhone- als auch Android-User können also von hoher Übertragungsqualität profitieren.
Doch es geht auch klassisch, per Kabel. Sogar passiv als schalldruckstarker 60-Ohm-Mobilhörer, wenn der Akku einmal alle sein sollte. Was in der Praxis wohl nur bei Trägern vorkommen könnte, die das Laden schlicht vergessen. Sennheiser sagt uns, dass wir mit einer kompletten Ladung über 60 Stunden Spielzeit erhalten – mit Geräuschunterdrückung und bei mittleren Lautstärken. Das ist sagenhaft. Zumal auch der Komfort für langen Einsatz spricht; der Momentum 4 trägt sich leicht, ohne Druck, höchst angenehm.
Das Case macht einen hochwertigen Eindruck. Da liegt natürlich das Ladekabel, dazu eine 3,5er-Verbindung, wenn wir denn kabelgebunden hören möchten. Als Zugabe noch ein Doppelstecker, wie er in den Flugzeugen dieser Welt Standard ist.
Lifestyle und durchdachte Bedienung
Schon beim Auspacken des Testgeräts gefällt uns die Reihe der kleinen Leuchtpunkte am rechten Hörer, die uns recht genau den Ladestande der Kopfhörer zeigen. Die großen Flächen hinter den Ohrmuscheln sind natürlich nicht passiv – das ist die komplette Orgel von Play/Pause auf Fingertipp, laut/leise, bis hin zur Annahme von Telefongesprächen. Das ist wirklich super gelöst und lässt viele Mitbewerber alt aussehen. Natürlich komme ich schnell per Bluetooth zu einem Kontakt. Aber ebenso hat der Hersteller eine eigene Software namens Sennheiser Smart Control App für iOS und Android programmiert.
App oder App-stinenz?
Einfach im Android- oder Apple-Store suchen. Oder noch besser: auf der linken Ohrmuschel ist der QR-Code abgedruckt – mit dem Smartphone einscannen und sich führen lassen. Die App selbst ist elegant, offensichtlich und erstaunlich potent. In unserem Testverlauf leider nur in Englisch – zudem frisst ein Update auf die neue Firmware über zwanzig Minuten an Zeit. Doch dann gibt es einen kleinen, dreibändigen Equalizer und unterschiedliche Soundzonen – hierüber erkennt der Kopfhörer, ob ich am Fluss wandere oder gerade meinen Schreibtisch im Homeoffice einnehme. Toll in diesem Beispiel: Pustet im Herbst der Sturm um meinen Kopf, dann gibt es eine automatische und toll-effektive Wind-Ausblendung. Mein Highlight: Die Geräuschunterdrückung lässt sich stufenlos von maximal bis zur höchsten Durchlässigkeit vorgeben.
So gut ist das adaptive Noise-Cancelling
In diesem Kontext fällt auch auf, wie hochambitioniert die aktive Geräuschunterdrückung, auch ANC (Active Noise Cancelling genannt) funktioniert. Andere Hersteller dämpfen die Außentöne in den Mitten, vielleicht noch bis in die Höhen hinauf. Sennheiser gelingt mit dem Momentum 4 auch der Griff in das tiefe Register. Wir haben ihn im ICE nach München ausprobiert. Da rauscht es nicht nur, das rumpelt auch. Genau diese tiefen Impulse blendete der Sennheiser ebenfalls aus. Super. Das kratzt an unserem Superlativ – kein Konkurrent hat uns mit einer besseren Geräuschunterdrückung überzeugt.
Dahinter steckt eine neue Technologie mit vier Mikrofonen. Durch die Differenzen im Schall kann der Sennheiser die Richtung genau berechnen und das Auslöschungssignal des Hybrid-ANCs optimal berechnen. Oder auch die Sprachqualität bei Telefongesprächen verbessern. Oder den Transparenzmodus so optimieren, dass man im Zug wirklich die Durchsage versteht, anstatt nur lärmige Umgebungsgeräusche.
Mit einer einfachen Zoom-Geste kann der Benutzer die Intensität der Lärmunterdrückung ebenso regeln kann wie in der App. Ganz ausschalten lässt sich das ANC bei aktiviertem Kopfhörer übrigens nicht. Das ist aber auch nicht kein Problem, denn man hört weder Rauschen noch eine unnatürliche Isolationsempfindung. Der Sennheiser Momentum Wireless 4 trägt sich im übrigen sehr angenehm und baut weder Druck an den Ohrmuscheln auf noch gibt er dem Benutzer das Gefühl, darunter könnte es zu heiß werden.
Klangliche Kontinuität: Sennheiser Momentum Wireless 4
Klanglich – wo sind wir? Der Test belegt: Bei den alten, wunderbaren Sennheiser-Werten. Hier gibt es keine Show, sondern grund-stabile, audiophile Maßstäbe. Die Mitbewerber peppen gern den Bass auf – Sennheiser setzt auf ein stabiles Fundament, enthält sich aber jeder Übertreibung. Weil eben ein fetter Bass auch Unmengen an Informationen in den Mitten schluckt. Hier hingegen Analyse und ein erstaunliches Tempo. Alles am Momentum 4 wirkt leicht. Wie ein Sportwagen aus High-Tech-Materialien.
Es gibt keinen wahren Künstler, der sich nicht regelmäßig erneuern will. So hat Björk gerade ein neues Album vorgestellt. Sie war nie besser, nie mutiger. Wir hören Holzblasinstrumente, die sie nach offizieller Lesart selbst vergraben (!) und wieder ausgegraben hat. Das geht an die Grenzen der Philosophie. Vor allem klingt es gut. Ein schlechter Kopfhörer würde sich nur auf die Dynamik kaprizieren. Doch der Sennheiser verrät uns viel über die feinen Zwischenwerte. Das hat Charme, das bringt den einzelnen Klangkörper zur Präsenz. Toll auch der pure Schub an Energie. Dieser hohe Sättigungsgrad bei ungebrochner Analyse – dieser Sennheiser zeigt es mit geradezu aufreizender Leichtigkeit. Das ist eine Kette von Helden: Björk, die Tontechniker und finalmente der großartige Sennheiser.
Manche Kopfhörer mag man, diesen Klangwandler liebt man. Ich werde ihn nicht wieder hergeben, das ist mein Maßstab in der Gegenwart und sicherlich auch auf einige Jahre in die Zukunft.
Testfazit und Alternativen zum Sennheiser Momentum 4 Wireless
Top Klang und Top ANC – bei den beiden wichtigsten Entscheidungsfaktoren liegt der Sennheiser Momentum True Wireless 4 in seiner Klasse vorn. Bei der wichtigsten Sekundärtugend, der Akkulaufzeit, hält er alle Konkurrenten auf Distanz. Der Sony WH-1000 XM4 hält beim Noise-Cancelling mit, doch er lässt es an Spritzigkeit und audiophiler Auflösung gegenüber dem Sennheiser vermissen.
Im klanglichen Gesamteindruck liegt allenfalls der große AirPods Max von Apple höher. Doch der fordert satte 630 Euro. In diesem Kontext sind die Momentum 4 mit 350 Euro ohne Konkurrenz.
Technische Daten Sennheiser Momentum 4 Wireless
- Preisempfehlung des Herstellers: 350 Euro
- Bauart: Over-Ear
- Wandlerprinzip: Dynamisch
- Gewicht: 295 g
- Besonderheiten: Active Noise Cancelling, App, Hardcase
- Mehr unter: www.sennheiser.com