Nach dem Test, ist vor dem Test. Als Autor wird einem nie langweilig. Da sitzt man bei Kaffee und Kuchen beziehungsweise Cappuccino und Croissant im Kantinchen und herein kommt Haithem Karoui vom Studio 26 in Stuttgart. Der Anlagen-Berater hört den brandneuen Bang & Olufsen Beo Grace, den wir erst kürzlich in einer Newsmeldung angekündigt haben. Und er gibt mir die Gelegenheit, das Kopfhörer-Highlight mal in Ruhe auszuprobieren. Dabei sei bemerkt, dass es sich nach Information des Herstellers um ein frühes Vorserienmuster handelt.
Hier für alle, die nicht die News gelesen haben, ein Überblick, was Bang & Olufsen gerade für 1.200 Euro (1.500 mit Lederetui). Der Beo Grace basiert auf einem 12-Millimeter-Titantreiber, der von Bang & Olufsen eigens auf hohe Linearität und Klangdynamik abgestimmt wurde. Unterstützt wird dieser Treiber durch moderne Technologien wie Dolby Atmos-kompatibles Spatial Audio und eine fortschrittliche Adaptive Active Noise Cancellation (ANC).
Für Szenarien, in denen Umgebungsgeräusche bewusst durchgelassen werden sollen, kommt eine TrueTransparency genannte Technik zum Einsatz, die Außengeräusche realistisch ins Hörerlebnis einbindet. Und das klappt meinen ersten Eindrücken nach wirklich sehr gut. Mit einem virtuellen Slider kann man in der Bang & Olufsen App die Durchlässigkeit stufenlos einstellen.
Ein weiteres Element ist die EarSense-Technologie, die Lautstärke, ANC und Klangcharakteristik in Echtzeit dynamisch an die jeweilige Umgebung anpasst. Die Signalverarbeitung kann also intelligent auf wechselnde Bedingungen reagieren.

Raffinierte Röhrchen
Der Beo Grace bietet eine Steuerung per NearTap und Force Control: Durch Berührungen der Metalloberfläche der perfekt verarbeiteten Aluminium-Rörchen in der Schläfenregion lassen sich Lautstärke und Steuerfunktionen bedienen. Die Force Control für die Wiedergabesteuerung, Aktivierung/Deaktivierung von ANC/Transparenz-Modus und zum Telefonieren lassen sich durch eine kleine Riffelung ertasten. Die Funktionen der Befehle lassen sich auf beiden Ohrhörern zuordnen. Doch nach meiner ersten Erfahrung damit, erfordert es etwas Übung, mit der Steuerung klar zu kommen.
Keine Eingewöhnungszeit erforderte dagegen die für iOS und Android angebotene, kostenlose Bang & Olufsen App. Sie sieht nicht nur klar und übersichtlich aus, sie lässt sich auch intuitiv beherrschen und bietet viele nützliche Funktionen. Dazu zählt auch die stufenlose Anpassung des ANC an den jeweiligen Bedarf. Da wir in einem Café waren, gab es keine tieffrequenten Geräusche, sondern nur Stimmen auszublenden. Dabei setzt Bang & Olufsen nach meinen kurzen Eindrücken auch in Maximalstellung auf eine moderate Wirkung. Ich kam mir auch ohne den auffallend rauscharmen Transparenzmodus nicht völlig abgekapselt vor – eine Strategie, die abgesehen von Ausnahmen wie Bose die meisten In-Ear-Anbieter favorisieren.

Akku, Laufzeit & Schnittstellen
Mit aktivierter Geräuschunterdrückung (ANC) soll der In-Ear eine Betriebsdauer von bis zu 4,5 Stunden bieten. Nach Erfahrung von Haithem Karoui sind in der Praxis sogar locker 5 Stunden möglich. Mit dem extrem hochwertigen Ladecase aus Aluminium erweitert sich diese Angabe auf bis zu 17 Stunden. Eine Schnellladefunktion ist integriert: Bereits 5 Minuten Ladezeit ermöglichen etwa 2,5 Stunden Wiedergabe. Durch ein Kunststofffeld auf der Rückseite lassen sich sogar induktive Ladegeräte nutzen. Der Hersteller spricht zudem von einer langlebigen Akkutechnologie mit einer Lebensdauer von über 2 000 Ladezyklen.
Best-Case-Szenario
Beim Case, das die Aluminium-Spezialisten von B&O im eigenen Haus in Struer herstellen, kommt mein Bekannter ins Schwärmen – etwa über den perfekt eingelassenen seitlichen Button fürs Pairing mit dem Smartphone. Und es gibt noch einen Clou: Wer das Case via Kabel mit seiner USB-Buchse an einen USB-Audio-Ausgang anschließt, kann damit eine Funkübertragung zum Kopfhörer aufbauen. Es liegt sogar ein Adapterkabel mit USB-C/3,5-mm-Anschluss für den Dongle-Modus bei, um den Bluetooth-Ohrhörer an einem analogen Audio-Ausgang zu betreiben. Das erweitert die Einsatzmöglichkeiten des In-Ears beträchtlich.
Zur Verbindung mit externen Quellen unterstützt der Beo Grace Bluetooth 5.3 inklusive Multipoint-Verbindung zu zwei Geräten, allerdings nur mit den Audio-Codecs AAC und SBC. Im Dongle-Modus über die Ladeschale kommt noch LC3 (Low Complexity Communication Codec) hinzu.


B&O Beo Grace im Sound-Test
Doch kommen wir zur eigentlichen Sache: Wie klingt der neue In-Ear von B&0? Mit dem iPhone von Haithem Karoui via AAC gekoppelt, lieferte das dänische Designerstück einen frischen, lebendigen Klang mit schnellem, nicht zu dickem Bass und eher hellem Timbre. Das verleitete mich dazu, mit der eigenwilligen, aber auch für Laien sofort verständlichen Klangregelung, dem Klangbild einen Tick Wärme und Bassvolumen hinzuzufügen. Die B&O-Methode ist auch für Profis eine sehr bequeme Art, den Klang anzupassen, auch wenn man mit einem konventionellen grafischen Equalizer klarkäme.
Klanglich gibt sich der Beo Grace flexibel und überzeugt mit Klarheit. Besonders neugierig war ich natürlich auf die Raumklang-Effekte. Der Unterschied zwischen konventionellem Stereo und virtuellem Raumklang „Virtualisieren“ war deutlich wahrzunehmen. Wichtig: Er machte nichts falsch, nahm der Musikwiedergabe nichts von ihrer Natürlichkeit. Innerhalb der Möglichkeiten von Raumklang über Kopfhörer durchaus eine gelungene Funktion. Die seitlich platzierten Stimmen und Instrumente kommen dann ein Stück aus dem Kopf heraus und auch die Solostimme in der Mitte des Panoramas gewinnt dabei an Kontur, auch wenn sie aus physikalischen Gründen nicht wie über Stereo-Lautsprecher vor einem stehen kann.
Dolby Atmos erweitert den Raumeindruck deutlich
Anschließend spielte ich über die Streaming-Dienste Apple Music und Tidal einige Dolby-Atmos-Aufnahmen mit der Einstellung „Immersive“ ab. Das Ganze erzeugte die Illusion von einem größeren Raum, doch die Performance wirkte dann nicht mehr ganz so anspringend direkt, was aber auch an den Aufnahmen liegen kann, die ich in der kurzen Hörsession auswählte.
Was mir gut gefiel, waren die in die App integrierten Internet-Radio-Stationen, die auch wirklich sehr ansprechenden Klang erzeugten. Ganz besonders stach allerdings während des Quick-Checks eine Sache heraus, die bei Kopfhörern neben den akustischen Eigenschaften für mich persönlich höchste Priorität genießt: Der B&O Beo Grace sitzt ausgesprochen bequem und doch sicher mit seinen sehr weichen Silikon-Pads im Ohr. Bang & Olufsen legt vier verschiedene Größen bei. Der druckfreie, aber sicher Sitz dürfte den Beo Grace auch für Sport-Affine attraktiv machen. Dazu passt auch die Schutzklasse IP57 für die beiden Ohrhörer und IP54 für das Case.
Bang & Olufsen Beo Grace: Fazit des Kurztests
Mit dem Beo Grace bleibt sich Bang & Olufsen treu: Ausgeklügelte Technik bis ins Detail, hochwertige Verarbeitung, viel Aluminium (die Dänen beliefern mit ihrer hauseigenen Aluminiumteile-Produktion sogar deutsche Autohersteller) und ein Preis, der den Premium-Anspruch untermauert. Immerhin sichert das allen, die es sich leisten können und mögen, eine hohe Exklusivität. In unserem Bewertungs-Schema, wo auch das Preis-Leistungsverhältnis in die Gesamtnote eingeht, würde das aber eine gewisse Hypothek bedeuten, denn der Preis der Schönheit lässt sich schwer taxieren.
Technische Daten Bang & Olufsen Beo Grace
- Preisempfehlung des Herstellers: 1.200 Euro (Ledercase: 300 Euro)
- Bauart: In-Ear-Hörer mit Bluetooth
- Ladeschale: 59,5 x 47 x 23,8 Millimeter
- Gewicht: 6 Gramm pro Hörer, Ladecase: 65 Gramm
- Akkulaufzeit: Bis zu 4,5 Stunden mit ANC, bis zu 17 Stunden mit Ladeschale
- Mehr unter: https://www.bang-olufsen.com






