STEREO GUIDE Testurteil
So Schlank und schnittig die Backes&Müller Jubilé IO auch wirkt. Die Kompakt-Aktiv-Box von der Saar ist ein Dynamik-Wunder mit amtlichem Bass.
Vorteile
- Dynamik und Bass-Qualität, wie sie manche riesige Standbox nicht hinbekommt
- Parametrischer digitaler Equalizer für präzisen Raumanpassung
- Gerade mit dem Z-Stativen sehr schick
- Funktioniert auch in schallharter Umgebung noch gut
Nachteile
- Man will damit lauter hören, als für den Hausfrieden gut ist
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Klang: Neutralität / Transparenz9.8
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Klang: Bass / Dynamik9.9
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Klang: Räumlichkeit9.7
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Praxis / Connectivity9.2
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Preis/Leistung9.5
High End ist, wenn es groß, teuer und altmodisch ist. Daran erinnern wir uns bei STEREO GUIDE gern, wenn wir High-End-Komponenten zum Test angeboten bekommen und höflich ablehnen. Doch wie kam es dazu, dass wir ausgerechnet für ein Paar Kompakt-Lautsprecher wie die neue B&M Jubilé IO mit einem Preisschild von 20.000 Euro eine Ausnahme von dieser Testphilosophie gemacht haben? Tja, manchmal klingt ein Konzept einfach zu überzeugend, um nicht ausprobiert zu werden.
Denn in dem Paar recht unscheinbar gestalteten Regallautsprechern, steckt ein ausgeklügeltes akustisches Konzept. Das uns zuerst auf der HIGH END 2024 klanglich schlicht umgehauen hat, so dass wir mehrmals zum B&M-Raum zurückgekehrt sind. Die größte dort gespielte Box namens BMLine 60 zählte in punkto Impulsverarbeitung, knalligem Bass und Spaßfaktor ohne Reue zum absolut Besten, das wir jemals auf einer Messe gehört haben. Aber eben auch mannshoch und preislich deutlich im sechsstelligen Bereich. Also wirklich nichts für STEREO GUIDE.
„Kein Problem“, sagte uns Andreas Kühn vom B&M-Stützpunkt in Kornwestheim bei Stuttgart nach der Messe. Ausgerechnet der kleinste Lautsprecher des Portfolio soll ähnliche Qualitäten besitzen und diese anspringende Direktheit und das perfekte Timing genauso ins Wohnzimmer bringen wie das XXL-Horn. Zugleich sollen es die beiden weniger als 20 Zentimeter schlanken Säulen dynamisch mit jeder Standbox aufnehmen können. Einen „Bold claim“ würde das Amerikaner nennen. Der uns aber so neugierig machte, dass wir die Anlage unbedingt testen wollten
Schlank- statt Schrank-Boxen fürs Wohnzimmer
Von Ferne betrachtet, sieht die B&M Jubilé IO nicht groß anders aus als andere Kompaktlautsprecher. Doch das akustische Konzept, insbesondere die Art und Weise, wie die nur 19 Zentimeter schmale Skulptur Schall abstrahlt, sollen am Markt einzigartig sein.
Das Grundproblem ist uns aus jahrelanger Testerfahrung mit High-End-Lautsprechern gut bekannt: Im gut bedämpften Hörraum klingen diese oft überragend, doch gerade in minimalistisch eingerichteten Räumen oft furchtbar. Je weiter man als Hörer wegsitzt, desto mehr versaut der reflektierte Schall im Wohnraum den Klang und macht ihn matschig, zischig, langsam und lärmig.
Dagegen konnten bisher nur massive XXL-Lautsprecher etwas ausrichten. Hörner, Zeilenstrahler, Flächenstrahler und Co sorgen dafür, dass viel mehr Schall zur Hörzone auf dem Sofa abgegeben wird und viel weniger in den Raum.
Zeilen-Honorar der musikalischen Art
In der B&M Jubilé IO ist deshalb ein zentraler Zylinderwellenstrahler verbaut. Er richtet den Mittelhochtonschall gerade vertikal recht eng auf die gewünschte Hörzone, in der Horizontalen deutlich breiter. B&M haben sich dieses Prinzip, das bisher nur in den ganz teuren und massig großen Modellen des Hauses zum Einsatz kam, patentieren lassen. Dahinter steckt ein Druckkammertreiber, wie er von konventionellen Hörnern bekannt ist, doch anders als bei typischen Hörnern wird der Schall nur vertikal gerichtet, und das ohne den typischen Hornklang.
Ober- und unterhalb dieses Zauberschlitzes verbauen B&M noch zwei Grundtöner. Durch ihre Entfernung zueinander sollen diese für eine ähnliche Richtwirkung sorgen wie der Linienstrahler. Nichts sei schlimmer, so sagte uns Chefentwickler Johannes Siegler, als ein plötzlicher, hörbarer Bruch im Abstrahlverhalten. Diese beiden klassischen Töner sind ein wenig versteckt und könnten wahrscheinlich auch richtigen Bass, aber zugunsten höherer Reserven setzen B&M sie nur im oberen Bass und unteren Mittelton ein.
Kontrolle ist „bässer“
Für richtigen Tiefton setzen die Saarländer auf das Mächtigste, was wir bisher bei STEREO GUIDE im Test hatten: Einen 30-Zentimeter-Woofer. Je einer davon sitzt auf der Seite des deutlich schmaleren Lautsprechers und bleibt hinter einer weißen Stoffabdeckung verborgen.
Doch um schieren Bassdruck geht es dem Hersteller ausdrücklich nicht, sondern um beste Bassimpulse und Kontrolle. Das mächtige Chassis wird nämlich in ein geschlossenes Gehäuse eingebaut und muss auf eine Bassreflexunterstützung verzichten. Durch diesen Kniff und eine aktive Regelung durch einen Bewegungssensor sollen sich eine perfekte Impulsverarbeitung und trockene Bässe ergeben.
Das macht akustisch gleich doppelt Sinn: Zum einen klingt der Mittel-Hochtonbereich der kleinsten B&M – soviel sei vom Hörtest vorweggenommen – schon ziemlich direkt und subjektiv „schnell“, ein wabernder, wummeriger Bass würde in keinster Weise passen. Zum anderen zielen beide Technologiem darauf ab, auch in typischen Wohnräumen auf dem Regal oder Lowboard bestmöglich zu agieren. Und an solchen problematischen Aufstellorten kann wiederum nur ein geschlossener, knochentrockener Tiefton sauber und musikalisch klingen.
Voll digital mit Draht zur alten Welt
Das Anschlussfeld auf der Rückseite der schlanken Schönheit erschien uns eher minimalistisch. Laut Hersteller wurde bewusst auf die volle Bandbreite an Streamingfunktionen und Protokollen verzichtet, um den Lautsprecher zukunftssicher zu machen. Ein Vorverstärker oder Streamer als Zuspieler ist also Pflicht, wobei der Besitzer die Wahl zwischen analogen, digitalen und B&M-exklusiven Eingangssignalen wählen kann.
Letzteres nennt sich „B&M Easy Link“ und ist eine Übertragungstechnologie, die durch beliebig lange und ziemlich unauffällige Netzwerkkabel von einer digitalen B&M-Vorstufe der ICE-Serie aus unverfälschte digitale Musiksignale plus Lautstärkeinformation plus DSP-Steuerung zum Lautsprecher liefert. Für High-End-Puristen genau das richtige, denn das digitale Signal wird nicht verändert, nicht einmal in der Lautstärke beziehungsweise Wortbreite.
Wer einen pragmatischen HiFi-Ansatz verfolgt, kann auch einfach einen Netzwerkstreamer oder Vorverstärker mit hochwertigem geregelten Ausgang anschließen. Uns gefiel im Test der Cambridge Audio CXN100 (1.050 Euro) hervorragend, nicht nur wegen der sehr ausgereiften App-Steuerung, sondern auch weil er einfach alles beherrscht, was irgendwie streamt.
Weichen-Steuer
Das bedeutet aber auch: Alle Signale müssen von der Elektronik in der Backes&Müller noch einmal digitalisiert werden. Die gesamte Verarbeitung geschieht auf digitaler Ebene, und zwar mit ganz besonderen Filtern, wie B&M nicht ohne Stolz betont: Diese in sogenannter FIR-Technik programmierten digitalen Frequenzweichen und Equalizer arbeiten vollkommen zeitrichtig und erlauben es, Phase und Amplitude getrennt voneinander zu perfektionieren. Damit ist der 3-Wege-Lautsprecher nicht nur zeitrichtiger, als jeder Breitbänder es jemals sein könnte: Die tiefsten Bässe, die Mitten und die höchsten Höhen kommen im Mikrosekundenbereich gleichzeitig am Ohr des Hörers an.
Der zweite mächtige Vorteil, der in dieser Technik steckt: Eine ebenfalls perfekte Raumanpassung ist ebenfalls in jedem B&M-Modell eingebaut. Man kann parametrische Filter zur Anpassung an die Aufstellung oder den Raum oder den eigenen Hörgeschmack einstellen, ohne dass der Klang in der Phase negativ beeinträchtigt wird. Oder man lässt es einstellen, denn jeder Händler von B&M bietet als Service die individuelle Anpassung an den eigenen Hörraum mit Feedback durch den Hörer an, wie die Anlage klingen soll. Ein Service, den wir nur jedem empfehlen können, und der weit über die üblichen automatischen Einmessungen hinausgeht.
So klingt die Backes&Müller Jubilé IO
Wenn mir aus über 35 Jahren Lautsprecher-Tets eines im Ohr geblieben ist, so ist es die direkte, anspringende Musikalität der dynamisch besten Exemplare, die ich in all den Jahren hören durfte. Ob große Mehrwegehörner, Line-Sources, Flächenstrahler oder Breitbänder – viele davon lieferten eine Direktheit, ein Timing und eine Energie in der Musik, die konventionelle Lautsprecher oft langweilig erscheinen lässt.
Bei den ersten Musiktakten, die ich über die B&M Jubilé IO hörte, musste ich an all das denken. Und fragte mich zugleich, warum ich trotz zahlreicher Gelegenheiten nie ein solches Energiebündel an Lautsprecher für mich privat gekauft hatte. (Von meinen lärmempfindlichen Nachbarn mal ganz abgesehen). Zu verfärbt, zu schwierig aufzustellen, zu groß dürften wohl die Hauptargumente sein.
Nun, das trifft auf die kleinste B&M nun alles nicht zu. Trotzdem gelang es ihr, in der Riege dieser XXL-Lautsprecher mehr als nur mitzuspielen. Die Diskrepanz zwischem dem riesigen Klang und der unauffälligen Optik muss das eigene Gehirn dabei erst einmal zusammenbringen. Wer schon einmal einer Demo mit falschen Standboxen gelauscht hat und dann erfahren musste, dass der Sound aus kleinen Würfelchen kam, der kennt das Phänomen, das die B&M auf ein neues Level hebt.
Horn-Westheim
Denn von weitem im großen Demo-Raum von B&M in Kornwestheim bei Stuttgart sahen die kompakten Säulen sehr schmal, ja fast ein wenig verloren im Raum aus. Der Höreindruck steht aber im krassen Gegensatz dazu: die B&M Jubilé IO spielte uns mit einer Direktheit, einem Drive und Schub entgegen, dass man da auch gut und gerne mannshohe runde Hörner als Dekoration hätte hinstellen können. Erkannt hätte man die Jubilé IO vielleicht klanglich nur daran, dass sie gar nicht nach Horn klingt. Verfärbungsfrei, sehr frei und detailliert, in den Mitten ebenso schnell und transparenz wie in den Höhen.
Dazu ein Bass, der bei Kompaktlautsprechern wohl als weltbester angesehen werden kann: abgrundtief, staubtrocken und präzise, dabei musikalisch sehr gut eingebunden und völlig locker auch bei pumpenden Impulsen Wer einmal angefangen hat, über eine B&M elektronisch erzeugte, aber akustisch klingende Beats wie bei Daft Punks „Random Access Memory“ oder Parcels „Day/Night“ zu hören, wird sich einen solchen Aktivlautsprecher kaufen. Der Suchtfaktor ist unglaublich, und danach klingen eigentlich alle anderen Lautsprecher entweder langweilig oder weich bis wummdern im Bass.
Nun gut, für präzisen Bass waren die geregelten Aktivlautsprecher schon seit Jahrzehnten bekannt. Gegenüber dem „alten B&M-Sound“, wie ich ihn aus den 1980ern kannte, hat sich der Tieftoncharakter höchstens in Richtung satter und musikalischer verschoben. Wie ist es aber mit dem Mittelhochton? Ich muss gestehen, die übertrieben detaillierte bis unsanfte Hochtonwiedergabe vieler B&M-Modelle vor 40 Jahren war meine Sache nicht.
Selbst hören mit unserer Hörtest-Playlist auf Qobuz
Die Jubilé IO hat damit nichts mehr zu tun. Ja, auch sie hat eine präzise Hochton-Wiedergabe, sie liefert viele Details, sie deckt auch auf, was in einer Aufnahme steckt. Aber das geschieht auf eine plastische, ganz und gar nicht nervige, sondern eher charmante Art und Weise. Und mit einem über den digitalen parametrischen Equalizer nach Gusto dosierbaren Schuss Wärme im Grundton sowie einem breiten, plastischen Raum.
Das ist dann auch der eigentliche Knaller, der in der kompakten Aktivbox steckt: Ihr Raum ist von einer bestechenden Dreidimensionalität, dabei riesig in der Breite, natürlich in der Tiefe und völlig stabil in der Genauigkeit. Ob man Rock damit oder Jazz oder Klassik bevorzugt, alles steht vor einem wie im jeweiligen Studio oder Konzertsaal aufgenommen. Unverwaschen, unverfälscht, dynamisch und direkt.
Wer jetzt Bedenken hat, dass dies nur auf dem perfekten Hörplatz in der Mitte der Fall ist, den können wir beruhigen: Der Sweet-Spot, also der Winkelbereich, in dem die Musik unverfälscht hörbar ist, ist bei der Jubilé IO eher breiter als bei konventionellen Boxen. Wenn man nicht gerade direkt vor der Box, außerhalb des Abstrahlbereiches der Zeilenstrahler, steht oder hinter ihr Musik hören will, beschallt sie sogar ganze Wohnzimmer gleichmäßig. Nicht nur tonal ausgewogen und gleichmäßig, sondern auch mit einer erstaunlichen Raumillusion. Einzig die überragende Ortungsgenauigkeit leidet spürbar, wenn man die Mitte verlässt.
Sie kam von der Saar und siegte
So hörten wir uns noch einige Stunden durch das Testprogramm und auch die persönliche Lieblingsmusik, die viele wahrscheinlich nicht als audiophil bezeichnen würden… Was mich betrifft, bevorzuge ich, sofern ich nicht auf Nachbarn Rücksicht nehmen muss, vor allem Lautsprecher mit herausragenden dynamischen Qualitäten, weil genau das für mich auch den Reiz von Live-Musik ausmacht, die ich bevorzugt in kleineren Sälen, allem voran im Stuttgarter Jazz Club Bix genieße. Was Tonalität betrifft, bin ich ab einem gewissen Maß an Ausgewogenheit durchaus großzügig, wenn richtig die Post abgeht. Und in Kornwestheim ging richtig die Post ab.
Gerade im Bass bewahrheitete sich mal wieder mein altes Motto, dass man für richtig authentisches Schlagzeug Lautsprecher mit Bass-Chassis von 30 Zentimetern Durchmesser aufwärts braucht. Es klingt einfach echter als die gleiche Membranfläche auf mehrere kleine Treiber verteilt. Doch wegen Wohntrends sind solche Bass-Boliden inzwischen fast ausgestorben. Und wenn man mal einen Lautsprecher mit einem amtlichen Tieftöner findet, ist es gleich ein riesiger Schrank zum Preis einer Mittelklasselimousine.
Dass ich nach Ewigkeiten mal wieder einen dieser Full-Size-Treiber im 12-Zoll-Format ausgerechnet beim Test einer Kompakt-Box treffen sollte, finde ich wirklich bemerkenswert. Zusammen mit den dynamischen Fähigkeiten war das wirklich ein ganz besonderes Highlight im Dauer-Test-Alltag. Und zum Schluss des Hörtests gab es noch eine Runde Heimkino, wo die IOs von weiteren B&M-Boxen unterstützt wurden, aber auch im Action-Genre ohne Subwoofer auskamen. Respekt.
Testfazit: Backes&Müller Jubilé IO
Die Frage nach Alternativen zur B&M Jubilé IO können wir schnell beantworten: Es gibt keine. Weder sind uns schmale Kompaktlautsprecher irgendeines Herstellers bekannt, die ein dynamisches Feuerwerk dieser Güteklasse abbrennen und den Energiegehalt jedweder Musik derart befeuern. Zum anderen überzeugte uns aber auch das Konzept des Zeilenstrahlers. Als Hörer kann man ziemlich weit weg von den Lautsprechern sitzen und sich in der Horizontalen frei bewegen. Trotzdem bleibt der volle Spaßfaktor der Musik, ihre anspringende Direktheit und ein einfach nur perfekter Bass erhalten.
Beim Hören der Jubilé IO fielen uns jede Menge Wohnzimmer ein – zumeist groß, minimalistisch eingerichtet und von solventen Zeitgenossen bewohnt – in der die Jubilé IO der einzige kompakte Lautsprecher sein dürfte, der dort überhaupt spielt. Wer also schon immer akustische Probleme mit dem Raum hatte, sei es Dröhnen, Zischen oder matschiger Hall, für den ist die kleinste B&M aus unserer Sicht die beste Wahl. Und wer wie ich auch Wert auf eine gewisse Ästhetik legt, kann mit einer schlanken, auf den Z-förmigen Ständern sehr schnittigen Kompaktbox und einem kleinen, erschwinglichen Streamer wie dem Cambridge CXN100 eine ganze Stereo-Anlage ersetzen, die bei mir zu Hause eine ganze Wand für sich beansprucht und spätestens nach 22 Uhr Auftrittsverbot hat.
Technische Daten Backes&Müller Jubilé IO
- Preisempfehlung des Herstellers: 19.990 Euro
- Abmessungen (B x H x T): 20 x 47 x 52 cm
- Gewicht: 27 kg (pro Box)
- Besonderheiten: Analog, Digital (AES/EBU), BMEasyLink, Linienschallquelle, Raumeinmessung mit eingebautem DSP und Equalizer-Steuerungsgerät
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