STEREO GUIDE verdict
+ ultra transparent und auflösend
+ wahnsinnige Spielfreude und Feindynamik
+ tiefer, kraftvoller aber schneller Bass
+ gut anpassbar, sehr bequemer Sitz
- bei problematischen Aufnahmen gnadenlos transparent
- Kapseln stehen weit aus dem Ohr heraus
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Klang: Natürlichkeit / Transparenz9.5
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Klang: Bass / Dynamik9.4
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Praxis / Connectivity9
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Preis / Leistung9
Die 2010er Jahre sahen mit dem Boom des mobilen Musikhörens neue Kopfhörermarken wie Pilze aus dem Boden schießen. Vielleicht ein Grund, warum die Gründung der japanischen Manufaktur Acoustune im Jahr 2013 in unseren Breiten überwiegend unbemerkt blieb. Vielleicht, weil die passiven In-Ear-Monitore überwiegend im gehobenen Preisbereich angesiedelt waren. Womöglich waren sie einfach auch vielen Freunden von Bluetooth, True Wireless und Noise-Cancelling zu klassisch. Kurzum: Auch der neue Acoustune HS1750Cu, den wir direkt nach seiner Präsentation einem Test unterzogen, dürfte auf dem Kopfhörer-Markt eher eine Sonderolle einnehmen.
Dazu trägt auch die aufwändige Konstruktion und das eigenwillige, technik-betonte Design seinen Anteil bei. Denn unauffällig sind die in Japan in Handarbeit gefertigten IEMs auf keinen Fall. Selbst das Modell HS1750Cu, das bei den ambitionierten Japanern für 700 Euro so etwas wie den Einstieg ins High End Portfolio darstellt. Die Ohrkapseln des kabelgebundenen In-Ears sehen aus wie aus einem Science-Fiction-Cartoon. Die Beschreibungen des Herstellers zu Membranaufbau und Materialwahl lesen sich wie die Beschreibung von High-End-Lautsprechern der 100.000 Euro Klasse.
Die Technik steckt im Material
Während andere High End In-Ears ihre vierstelligen Preisschilder mit Elektrostaten, vielen Treibern und Frequenzweichen zu rechtfertigen suchen, erklären die Macher hinter Acoustune das dynamische Fullrange-Prinzip zum einzig gangbaren Weg im Sinne der maximalen Klangqualität.
So steckt auch im HS1750Cu ein einziger dynamischer Treiber mit einer 10-mm-Membran. Die hat es allerdings im wahrsten Sinne des Wortes in sich: Der Hersteller verwendet ein exklusives Material, das er Myrinx nennt. Dabei soll es sich um ein Spezialpolymer handeln, wie es im medizinischen Bereich, etwa bei Operationen, zum Einsatz kommt. So soll die Wandlerkapsel die Präzision und Langzeitstabilität eines High-Tech-Materials mit der bionischen Funktionsweise des menschlichen Trommelsfells verbinden. Denn nichts anderes bedeutet „Myrinx“ auf Deutsch.
Doch damit hört die Materialschlacht nicht auf: Die Japaner sind davon überzeugt, dass Formgebung und Material des Volumens hinter der Membran den Klangcharakter entscheidend beeinflusst. Der Zusatz „Cu“ im Produktnamen HS1750Cu steht für Kupfer und soll für maximale Basskraft und Impulsgenauigkeit im Tiefton sorgen. Tatsächlich besteht das gesamte Innenvolumen aus einer massiven Kupferlegierung.
Wunder der Fertigungstechnik
Allerdings eignet sich eine solche Legierung wiederum nicht, um die gesamte Ohrkapsel daraus zu fertigen. Deshalb konstruierten die japanischen Entwickler kurzerhand ein zweiteiliges Außengehäuse aus Aluminium. Es entsteht im Haus bei Acoustune aus dem vollen Aluminium-Block mit Hochpräzisions-CNC-Fräsen. Der ausgeklügelte Aufbau sorgt dafür, dass es die Innenkapsel einspannt, ohne akustisch darauf Einfluss zu nehmen. Daraus ergibt sich auch die etwas Science-Fiction-mäßige Optik der Gesamtkonstruktion. Aus mancher Perspektive erinnert die Formgebung sogar an einen Motor oder einen Getriebeblock.
Ein Wort noch zum Wirkungsgrad der In-Ears: Trotz der recht genügsamen Impedanz von 24 Ohm gehören die Acoustune S1750Cu zu den lautesten In-Ears, die wir bisher im Test hatten. Sie liefen selbst an spannungsbegrenzten Kopfhörerausgängen von modernen Smartphones zu dynamischer Hochform auf. Aus audiophiler Sicht wäre das natürlich ein sinnloses Verschenken von Klangpotenzial. Für alle, die auch mal ohne Zusatz-DAC auf Reisen gehen, könnte das aber ein Argument für den temporären Betrieb am smarten Device sein.
9fach flexibel und erstaunlich komfortabel zu tragen
Zugegeben: wir waren skeptisch, ob sich die aus Alu gefrästen und von der Form auffälligen Ohrkapseln komfortabel und tragesicher im Ohrkanal plazieren ließen. In der Praxis war das aber ein Kinderspiel und ließ bei keinem Tester Wünsche offen.
Dafür sorgen zum einen die neun verschiedenen mitgelieferten Adapter. Der Hersteller verweist stolz darauf, dass sämtliche Formen von der hauseigenen Entwicklungsabteilung erdacht und getestet wurden. Die Adapter sind nicht nur in der Größe fein abgestuft, sondern auch im Material und in der Formgebung so unterschiedlich gestaltet, dass wir uns sehr gut vorstellen können, dass hier jedes Ohr seinen passenden Deckel findet.
Herr der Ringe
Zunächst gibt es da Memoryfoam-Ringe, die sich der Ohrkanal-Form anpassen. Viele Nutzer dürften die bevorzugen, weil sie das Gefühl der Isolation vermeiden. Die klassischen Gummiadapter fallen als Alternative minimal steifer aus. Sie liegen dafür aber in fünf Größen bei und dürften die besten Chancen auf einen dichten Sitz haben. Wer einen Kompromiss bevorzugt, findet noch drei Varianten aus weicherem, dünnerem Silikon. Damit man sie nicht verwechselt, sind diese aus halbtransparentem Material gefertigt.
Wenn man nur halbwegs die Größe des Ohrkanals trifft, lassen sich die Acoustune HS1750Cu ohne Schwierigkeiten, Drehen oder Pressen leicht einführen. Das geflochtene Anschlusskabel muss hinter den Ohrmuscheln entlang geführt werden, dann fügen sich die recht weit ausladenden Alu-Konstruktionen verblüffend ergonomisch ein. Da die Kapseln ziemlich weit herausstehen und nicht am Inneren der Ohrmuschel anliegen, spürt man sie praktisch nicht. Allerdings sorgt das auch dafür, dass man sich damit nicht mehr seitlich aufs Ohr legen kann. Wer gern mit In-Ears einschläft oder im Flugzeug den Kopf auf ein Kissen ablegt, wird mit den Acoustune nicht glücklich.
So klingt der Acoustune HS1750Cu
Alle anderen schon. Im Hörtest setzten die HS1750Cu zu einem Siegeszug an. Tonal ähneln sie in der ersten Hörtestrunde etwas den Sennheiser IE 600 und Sennheiser IE 900. Sie liefern akkurate Impulsverarbeitung und Dynamik wie ein Bühnenmonitor. Dazu kommen sehr exaltierte, aber saubere Brillanz und ein treibender, ultratiefer und satter Bass.
Von Hip Hop bis Klassik – egal welche Musik man über die Acoustune hörte, verblüfften sie mit maximaler Spielfreude und Auflösung. Wir würden sie als echten Muntermacher beschreiben, der einem sofort die Emotionen der Musik ins Gehirn transportiert anstatt den Hörer einzulullen. Wer andere, wärmer abgestimmte In-Ears gewohnt ist, wird sie nach dem ersten Höreindruck vielleicht als minimal brillanter empfinden. Doch das ging einher mit einer verblüffenden Sauberkeit, Durchhörbarkeit und zischelte nie, so dass wir die Acoustune HS1750Cu auch für empfindliche audiophile Ohren uneingeschränkt empfehlen können.
Im Vergleich zu den vorgenannten Sennheisers war das auch der wesentliche Unterschied: Bei aller tonaler und dynamischer Ähnlichkeit klangen die Acoustune eine Spur eleganter und feiner, offerierten zudem etwas mehr Grundtonwärme. Nur beim etwas deftigen Höhenklang einiger Pop- und Rockaufnahmen der 1970er und 1980er half das nicht. Peter Gabriels III und Led Zeppelins „Houses Of The Holy“ klangen, wie sie über hochauflösende Studiomonitore klingen müssen: Deftig brillant auf der einen, etwas überproduziert auf der anderen Seite.
Tiefer in die Musik eintauchen
Dass die Acoustune im Tiefbass kräftig ausgestattet sind, merkt man eigentlich nur bei Aufnahmen, bei denen entsprechende Frequenzen überhaupt vorkommen. Will heißen: Es findet keine künstliche Bassbetonung statt. Doch wenn die Aufnahme das hergibt, dann erlebt man einen abgrundtiefen, satten und bestens ins Timing eingebundenen Bass.
Die Raumabbildung war weniger auf die Direktheit eines Bühnen-Monitors abgestimmt. Sie ähnelte vielmehr einem optimierten Mastering-Studio: in der Tendenz nah, aber nie aufdringlich, mit angedeuteter Raumweite, aber keiner übertriebenen Staffelung in alle drei Dimensionen.
So können wir am Ende des Hörtests nur unseren Hut vor den Entwicklern ziehen: Sie entwickelten einen hoch auflösendem Monitor mit audiophilen Qualitäten und Spielfreude. Das lässt alle noch komplexeren Konstruktionen sofort vergessen. Insbesondere dann, wenn man als In-Ear-Fan die Tugenden eines Monitors sucht, ohne die Nachteile wie Harschheit und Direktheit in Kauf nehmen zu müssen.
Test-Fazit und Alternativen zum Acoustune HS1750Cu
Im Kopfhörer-Segment zwischen 500 und 1000 Euro gibt es viel namhafte Konkurrenz. Unsere Favoriten aus zahlreichen Tests im passiven Segment und die Referenzen zum Hörvergleich sind der Sennheiser IE 600 und der Beyerdynamic Xelento 2. Generation in der passiven Version.
Wer eine sanftere, nüchternere Abstimmung bevorzugt oder ältere Pop/Rock-Aufnahmen gern mit einem Schuss Schönklang hört, wird vermutlich mit dem Beyerdynamic am ehesten glücklich. Der Sennheiser IE 600 und der Acoustune sind sich recht ähnlich. Hier ist es letztlich Geschmackssache: eine leichte Loudness und ungefilterte Direktheit wie beim Sennheiser? Oder noch mehr Auflösung und ein etwas satteres Klangbild beim Acoustune HS1750Cu? Hier hilft nur direktes Vergleichen!
Technische Daten Acoustune HS1750Cu
- Preisempfehlung des Herstellers: 700 Euro
- Bauart: In-Ear
- Wandlerprinzip: Dynamisch
- Gewicht: jeweils 7,6 g ohne Kabel
- Besonderheiten: 8 Paar Ohradapter aus Silikon (S, M, L), 1 Paar Schaumstoffadapter , Trage-Etui, Case
- Mehr unter: www.cma.audio