Die größte HiFi-Messe Europas ist zurück – aber gewaltig! Wir kommen heim aus München von einer wirklich beeindruckenden HIGH END 2023. Aus der Erinnerung würden wir sagen: Größer, schöner, gewaltiger und vielfältiger als die letzte Ausgabe vor der großen Pause, 2019. Besonders positiv ist zu vermelden, dass immer mehr Hersteller nicht nur in ihren Standbau investieren, sondern auch in Raumakustik. Das Klangniveau erschien uns jedenfalls höher zu sein als in den Messen zuvor. Das Preisniveau vieler Komplettsysteme allerdings auch.
Natürlich dominierten in den Atrien die Ausstellungen mit großem, schweren High End. Auch, wenn wir die meisten Zeit damit verbracht haben, in den Hallen nach Kopfhörern, smarten Aktivboxen und automobilen Gadget zu suchen, konnten wir uns der Faszination der XXL-Türme nicht entziehen. Das lag nicht nur daran, dass einige Hersteller wirklich erstaunliche Klangerlebnisse zu bieten hatten. Auch rollte die Retro-Welle beim Design, was der HIGH END 2023 ein wenig den Charme einer „Back to the future“ Veranstaltung verlieh. Erwähnenswert ist auch, dass immer mehr Elektronikhersteller auf schön gestaltete, bestens ausgestattete All-In-One-Receiver setzen, was auch klassische Passivboxen aus Sicht des modernen Hifiisten wieder interessant werden lässt. Wir haben deshalb mal den Blick über den Tellerrand gewagt und uns ausdrücklich auch nicht-aktives und nicht-smartes HiFi vorgenommen.
Als kleinen Wermutstropfen haben wir allerdings empfunden, dass es immer weniger Car-HiFi-Anlagen zum Probehören gab. Ob es am Platzmangel im Messecenter oder am fehlenden Interesse der Aussteller liegt? Dafür waren die Kopfhörer stark vertreten mit der „World of Headphones“ in Halle 1. Und genau da beginnt auch unser Rundgang der HIGH END 2023 von ganz klein bis ganz teuer:
Die spannendsten Kopfhörer der HIGH END 2023
Al-Di-Kopfhörer: Limited Edition von Meze für Guitar-Hero Al Di Meola
Eine Limited Edition des Meze Elite mit Sonderlackierung überreichte Thomas Halbgewachs, der mit seinem Headphone Shop im Kopfhörer-Bereich schon allein von der Standfläche ein mächtiges Ausrufezeichen setzte, der Galionsfigur der HIGH END 2023. Gitarren-Gott Al Di Meola bekam das erste von 25 Exemplaren der Sonderserie überreicht.
See-Festspiele: Seaside Magnetostatischer Kopfhörer
Große Spannung hatte der Vertrieb CMA im Vorfeld um seine neue Marke gemacht: Seaside bei Lake People soll sie heißen, und für alle Produktkategorien offen sein, die Fried Reim und sein Team nicht ohnehin schon entwickelt haben. Starten will man mit je einem dynamischen und einem magnetostatischen On Ear Kopfhörer. Mit 800 bzw. 1800 Euro sind die edlen Hörer fair bepreist, uns gefiel besonders der komfortable Sitz und die sehr gute Verarbeitung der Aluteile am Bügel. Ein aussagekräftiger Hörtest war noch nicht möglich, aber ein erstes Hineinhören verriet für einen Magnetostaten außergewöhnliche Dynamik, Drive und treibenden Bass.
In-Ear für Feinmechaniker: Acoustune
Freunde mobilen HiFis wissen oft die handwerkliche Qualität nicht so recht zu würdigen. Bei der japanischen Manufaktur Acoustune fällt das aber leicht. Die aus dem vollen Aluminium gefrästen Mini-Skulpturen sind schon fast Kunstwerke, die sich aber bei einer ersten Ohrprobe erstaunlich leicht und komfortabel tragen ließen. Dafür sorgen 10 (!) verschiedene Ohrpolster in 4 Formen und 3 Materialien. Das Spitzenmodell besitzt sogar herausnehmbare Wandlerkapseln und lässt sich per optional erhältlichem Gehäuseeinsatz im Klang an den Geschmack anpassen.
Besonderheit: Der Hersteller setzt auf Titanmembranen. Ein erster Hörtest am Messestand machte eindeutig Lust auf mehr: Feinauflösung, Spielfreude und Dynamik vom Feinsten, dabei etwas ausgewogener und weniger PA-mäßig als von anderen In-Ears gewohnt. Ein Testmuster haben wir bereits geordert.
Smarte Lautsprecher und Kompaktanlagen
Auf den Trichter gekommen – Studiomonitore mit Streaming: JBL 4305P
JBL bezeichnet seine neuen Aktiven als Studiomonitore, und natürlich weckten das Hochtonhorn, die eingebaute DSP-Aktivweiche und die drahtlose Verbindung zwischen den beiden Boxen sofort unser Interesse. Bei genauem Hinsehen erwies sich das schlohweiße Boxenpaar aber als Streaming-Multitalent: Mit Ethernetkabel oder WLAN loggt sie sich ins Netzwerk ein und spielt dort per Airplay2 oder Chromecast wie auch per Bluetooth. Kabelgebunden geht es ganz profi-mäßig mit XLR oder großer Klinke analog hinein, oder auch per Cinch wie hochauflösend digital. Dazu stehen USB-B und optischer Eingang zur Verfügung. Bis 192kHz Samplingrate kann der Wandler. Wir waren beeindruckt und finden den nominell recht stolzen Preis von 2400 Euro pro Paar absolut gerechtfertig. Eine deutlich größere Variante namens 4329P hat der Hersteller ebenfalls im Programm, ein Preis stand da noch nicht fest.
Q-Wireless: Drahtlose Monitore von Q Acoustics
Christian Aufmkolk präsentierte bei Q Acoustics in der Demo die neue passive 5000er Serie mit highendigen Treibern zum fairen Kurs. Aus Sicht des Smart-Hifi-Liebhabers gefielen uns die M20 HD am besten, deren entkoppelter Hochtöner technisch von den teureren Modellen abgeleitet ist. Das Upgrade der beliebten M20 bietet extrem viel fürs schmale Budget von rund 500 Euro das Stereo-Set: Neben Bluetooth Apt-X HD auch Hires per USB bis 192kHz, eine Ortsentzerrung und das Umschalten der Masterbox zwischen linkem und rechtem Stereokanal. Ganz klare Sache: Die im besten skandinawischen Design erschienene Aktivbox müssen wir unbedingt so schnell wie möglich testen.
Kiel-Falt an Programmquellen: Elac Debut ConneX
Von der Größe her mit 25 Zentimeter Höhe und 14 Zentimeter Breite ein Desktop-Monitor, von den Funktionen her eine vollwertige Anlage: Die Elac Debut ConneX DCB41 ist der mit Abstand kompakteste und vielseitigste Einstieg in die hochwertige Stereowiedergabe. Zwar standen bei den Kielern die deutlich größeren Passivboxen in der Vorführung im Vordergrund, aber die kleinen aktiven Minis zogen offensichtlich viele Besucher an. Kein Wunder, denn sie verbindet ein Stereopaar Bluetooth-Lautsprecher mit Analogeingang, wahlweise auch für Phono, USB-B, optischem Input und HDMI-ARC. Zusammen mit dem Sub-Out sind die Kleinen jeder Aufgabe auch am TV gewachsen. Mit rund 530 Euro das Set auch erstaunlich günstig.
Das Riesen-Retro-Radio: JBL L75ms
Ja, manchmal darf man auch modernes HiFi-Equipment mit dem Herz schätzen und nicht nur mit dem technischen Sachverstand. Ebenfalls bei JBL fanden wir das L75ms, ein Stereo-All-In-One-System im Retro-Design. Die gebogene Schallwand, der Noppenschaumstoff und das Walnussholz lassen Gefühle an die gute alte HiFi-Zeit aufkommen. Eine 3-Wege-Anordnung hinter der Abdeckung soll dann den Preis von 1650 Euro rechtfertigen. Mit HDMI(ARC), Netzwerkzuspielung per Airplay2 und Chromecast sowie analogem Eingang nebst Phono-Option lässt das L75ms keine wesentliche Zuspielmöglichkeit aus und bedient traditionelle Hifiisten genauso wie jene, die einfach guten TV-Ton wollen. Mit knapp 80 Zentimetern ist es schon fast bei den Soundbars zuhause, aber einfach ein stilvolles Schmuckstück.
Geheimtipps, Smartes und Innovationen
Burmester Compose App
Traditionshersteller Burmester aus Berlin, Hoflieferant von Mercedes und Porsche, präsentierte auf der HIGH END auch seine smarte Compose App. Die ermöglicht via Augmented Reality die virtuelle Aufstellung von Burmester-Boxen in seinen Wohnräumen. Der ausgewählte Lautsprecher wird dabei einfach in das Kamera-Bild eine iPhones oder Android-Devices eingeblendet und lässt sich mit dem Finger drehen, um den besten Punkt für das Auge zu finden. Schließlich hört es bekanntlich mit.
ATR huldigt Guru: Neue Formen braucht das Land
Aus digitaler Sicht ist hier nichts smart: Guru baut klassische Passivboxen. Dafür sind die Gehäuse in feinster Schreinerqualität, die Ständer eigenständig und der Sound gefällig wie erwachsen. Neu im Programm beim Vertrieb Audio Trade sind die Modelle in klassischen Bauformen als Regal- oder Standbox. Die Kompakte Guru Junior soll 1600 Euro kosten und bietet sich mit eingebauter Abstimmung für wandnahe Aufstellung bei hervorragendem Tiefgang als idealer Spielpartner für kleine integrierte Streaming-Receiver auf dem Designer-Lowboard an.
Sounds Clever: Anlagen bis 5000 Euro
Die HIGH END Society als Träger der Messe rief zum „Sounds Clever“ – was übersetzt soviel heißt wie „Anlagen mit maximal 5000 Euro Budget“. Zahllose HiFi-Journalisten folgten dem Aufruf, unter anderem unser Partnerportal Lowbeats und die geschätzten Redakteure der traditionsreichsten HiFi-Zeitschrift STEREO. Günstige Anlagen in einem ziemlich großen Raum zum Klingen zu bringen, ist eine ziemlich Herausforderung, die hier aber dank der Lautsprecher von Fyne Audio, einem Plattenspieler und passender Elektronik erstaunlich gut gelang. Die Online-Kollegen von LowBeats stellten nicht nur eine Anlage rund um einen Vollverstärker von Leak 230 zusammen. Sie vertrauten ebenso auf Boxen von Fyne Audio und nicht zuletzt auf Raumeinmessung über einen Q-Nap-Roon-Server.
Heißer wird´s nicht: IXOOST
Eigentlich haben wir gedacht, wir seien auf Wortspiele aus Kalau abonniert: Der Hersteller Ixoost Artistic Audio kann das aber auch. Denn wenn man das englische Wort „Exhaust“ (Für Auspuff oder Abgasanlage) mit italienischem Zungenschlag ausspricht, kommt man vermutlich auf Ixoost. Und aus Auspuffanlagen und Abgaskrümmern werden die Lautsprechergesamtkunstwerke der Italiener eben auch gebaut. Oder aus originalen Rennreifen, Motorradhelmen, Kühlergrills oder was sonst die automobile Devotionalenkiste von Luxus- und Racingherstellern so hergibt. Das Haben-Will-Gefühl machte sich bei uns allein schon wegen der automobilen Verbindung sofort breit.
Klassisches High End und bester Sound
Green Power von Acoustic Energy
Unseren Weg zum Stand von Acoustic Energy wurde eigentlich von der Hoffnung auf neue Aktivboxen wie der aktiven AE1 getrieben. Doch dann trafen wir Vertriebler Markus Pajonk und diese wunderschön in echtem „British Racing Green“-Hochglanzlack gehaltene Standbox. Nicht nur für das Wohnzimmer eines Autofans ein passendes Schmuckstück, auch akustisch können die britischen Boxen so einiges.
Flower Power: Transrotor lässt Blumen sprechen
Nicht, dass die klanggewaltigen Plattenspieler-Monumente von Transrotor nicht auch äußerst dekorativ wären. Die Manufaktur aus Bergisch Gladbach garnierte ihre glänzenden Pretiosen mit allerlei Blumen und sorgte damit für eine außergewöhnliche Atmosphäre. Im Gepäck hatte der von Jochen Räke gegründete, von Dirk Räke weitergeführte Familienbetrieb, einen selbst entwickelten Tonarm, bei dem sogar der Lift aus dem eigenen Hause kommt.
Hammer-Sound zum bezahlbaren Preis: Nubert
Den „Value for Money“ Award vergeben wir dieses Jahr an Nubert! Nicht nur wegen des herausragenden Vortrages der großen NuVero 170, sondern auch weil man sich bei der schwäbischen Manufaktu traute, Aktiv- wie Passivboxen, Surround wie Stereo und allerlei Spielarten der HiFi-Wiedergabe ideologiefrei zu kombinieren und zu demonstrieren.
Innenarchitektur, Aktivboxen und Raumakustik vereint: B&M Jubilee
Au wei, sind die teuer. 40.000 Euro ruft der Hersteller für ein Paar Aktivlautsprecher auf. Die noch nicht einmal besonders riesig erscheinen unter lauter Superlautsprechern auf der HIGH END. Das ist aber laut Hersteller genau die Idee: Einen schmalen Lautsprecher für edle Wohnzimmer, der ebendort alle potentiellen Raumprobleme allein durch seinen Zylinderwellenstrahler und allerlei Tricks im Bass zu umschiffen vermag. Und ja, einen 20 Zentimeter schmalen Lautsprecher mit unsichtbaren 30cm-Bässen haben wir noch nie gesehen. Andreas Kühn und Malte Ruhnke erzählten in ihren gut gefüllten Vorträgen nicht nur etwas über die Technik, sondern auch die Raumakustik. Das müssen wir ausdrücklich loben, auch wenn sich beim etwas tiefbassreichen Vortrag von ungünstiger Sitzposition aus noch nicht erahnen ließ, ob die 40.000 Euro im Wohnzimmer gerechtfertigt erscheinen.
High End as high end can be: Wilson Audio x d´Agostino
Ja, wir stehen auf klein und smart. Aber bei dieser High End Anlage der Superlative fiel uns nichts mehr ein als: Wow! Verarbeitung, Präsentation, Design – ein Traum, wie er im High End Buche steht. Die Lautsprecher Wilson Audio Chronosonic XVX waren in ein edles Winterkleid in Weiß und hellblauem Alu gekleidet. Die Endstufen d´Agostino Relentless Epic 1600 stellen auch in punkto Metallverarbeitung zur Zeit die Spitze der Branche dar. Überhaupt: Wilson Audio war gefühlt bei den wichtigsten Verstärkerhersteller der Lautsprecher der Wahl und scheint sich immer mehr zum Ultra High End Standard zu etablieren. Nach dem Preis haben wir lieber nicht gefragt. Ein letztgültiges Klangurteil war im riesigen Raum etwas schwierig, aber die dynamischen Superlative bei perlender Höhenauflösung ließen sich erahnen. High End eben!
Alles Roger: Die neue Generation Piega MLS2
Auch teuer und edel, aber mit Schweizer Understatement präsentierte sich die zweite Generation der Master Line Source von Piega. Das in mattem Silber gehaltene Modell MLS 2 spielte in einem etwas verstecken Raum hinter dem Atrium. Nach dem mehr als überzeugenden Klangtest der streamenden Piega Premium Wireless 301 Gen2 waren wir neugierig auf weitere Modelle der Schweizer und mussten danach etwas suchen. Dabei erwies sich der Raum als Oase der Ruhe und des Wohlfühlens, was die Lautsprecher in geradezu perfekter Weise klanglich umsetzten: herausragende Seidigkeit, Stimmigkeit und völlig relaxte Mittelhochtonauflösung machten sie für uns zum audiophilsten Erlebnis der Messe!
Hesse-Neuheit: Canton Reference
Auch in Richtung des Canton-Standes zog uns die Liebe zu kleinen, drahtlosen Streaming-Boxen der Smart-Serie. Wir trafen dagegen Firmengründer Günther Seitz und seine Mitstreiter mit gleich einer ganzen Serie von neuen Referenzen: Die nach ihm benannte Canton Reference GS ist das künftige Flaggschiff des Hauses, die Reference 1 führt die regulär größte Lautsprecherserie an. Entwicklungsleiter Frank Göbl ließ es in der Vorführung ganz schön krachen.
Die XXXL-Aktivbox: Klipsch Jubilee
Okay, wir hätten gewarnt sein müssen. Die Klipsch Jubilee wurden vorab als „Größte 2-Wege-Aktivboxen der Welt“ angepriesen. In Wahrheit sind es eher zwei Schrankwände in Walnuss-Rustikal als zwei Aktivboxen. Die Optik harmonierte wie gemalt mit den Röhren-Hybrid-Endstufen von McIntosh. Und auch, wenn die ganze Anlage optisch laut „Retro!“ zu rufen schien, so konnten wir doch durchaus moderne Tugenden mit den Ohren vernehmen: knallige Impulse, staubtrockene Bässe, erstaunlich saubere Stimmen und jede Menge Spielspaß für Leute, die es gern dynamisch mögen. Trotz zuweilen heftiger Lautstärken ganz und gar nicht krawalliger, sondern ein sehr unterhaltsamer Vortrag. Spaß hat´s gemacht auf der HIGH END 2023!