Als kleine, aber feine Messe haben sich die Süddeutschen HiFi Tage in Stuttgart die letzten Jahre einen Namen gemacht. Nach einem Ausflug nach Ettlingen letztes Jahr war die Hotelmesse dieses Jahr im Herzen von Stuttgart zu Gast – im noblen Méridien Hotel.
Wir mussten feststellen, dass klassische Standlautsprecher, schwere Verstärker und Plattenspieler mit teils heftigen Preisschildern die Ausstellung dominierten. Smarte Klangtechnik, die den Schwerpunkt der Tests bei STEREO GUIDE bilden, mussten wir ein wenig suchen, aber wurden schließlich fündig.
Der Schwerpunkt lag auf diversen Hördemos zumeist klassischer High-End-Anlagen. Bei den Besuchern kam das klassische Hotelmessekonzept jedenfalls hervorragend an. Zufriedene Gesichter erlebten wir am Messesonntag. Die Anzahl der Aussteller bot genug Vielfalt, um die persönlichen Favoriten zu finden, und war überschaubar genug, dass man sich für die einzelnen Vorführungen wirklich Zeit nehmen konnte.
Ein großes Lob müssen wir allen Ausstellern aussprechen, die auf geschlossene Vorführungen mit Vortragscharakter wie Audio Reference oder Phonosophie gesetzt und nicht nur einfach Musik abgespielt haben. So entdeckten wir etliche hochinteressante Lautsprecher- und Streamingkonzepte, die wir vom bloßen Vorbeigehen vermutlich ignoriert hätten. Besonderer Grund zur Freude: Immer mehr Hersteller auch klassischen HiFis setzen auf die Aktiv-Lautsprecher-Technologie. Einziger Wermutstropfen: Für Kopfhörerfans gab es lange nicht so viel zu entdecken wie von anderen Messen gewohnt.
Streaming, Aktivboxen und Klangsieger
Best sound of the show – Linkwitz Lab!
Hätten die Dipole des leider verstorbenen, aber immer noch legendären HiFi-Ingenieurs Siegfried Linkwitz nicht direkt neben dem Haupteingang im Foyer gestanden, nicht ziemlich laut gespielt und auffällig ausgesehen, wären wir vermutlich vorbeigegangen. Doch so blieben wir sitzen und erlebten eine Lehrstunde in Sachen offenem, transparentem und impulsiv-dynamischem Klang mit geradezu unverschämt groovendem Bass. Sicher, auf der offenen Fläche an der Haupttreppe war akustisch kein idealer Ort, um die Aktivlautsprecher mit der charakteristischen offenen Schallwand zu beurteilen. Trotzdem zeigte die Vorführung das unglaubliche Potential dieser Technologie – es klang tief räumlich, plastisch und entspannt. Wir waren begeistert!
Klein, aber feinst – Lyravox
In den Hotelzimmern im ersten Stock wären großvolumige Standboxen wohl fehl am Platz gewesen. Kein Hersteller trieb die Miniaturisierung und Minimalisierung der Anlage so voran wie Lyravox. Der Karlsson kombiniert digitale Aktivtechnik mit einem highendigen Kunststeingehäuse im Format eines klassischen Nahfeldmonitors. Selbstredend nicht die lauteste Vorführung, aber natürlich, stimmig, im Timing auf den Punkt und zauberhaft transparent – hier verweilen wir gern länger und lauschen den Insidertipps von Chefingenieur Jens Wietschorke, der wirklich aus dem Nähkästchen plaudert und auch die individuelle Anpassung der Aktiven auf den Raum des Hörers vielschichtig erklärt.
High End in kleiner und mittelgroßer Variante: Wilson Audio Tunetot und Watt/Puppy!
Die High-End-Lautsprechermanufaktur Wilson Audio aus den USA, die heuer ihr 50-jähriges Jubiläum feiert, machte in den letzten Jahren eher mit großvolumigen und ultimativ schweren High End Lautsprechern Furore. In Stuttgart auf den SDHT 2024 spielte man zwei kleinere Gedecke: Anziehungspunkt für Besucher war das zweiteilige Jubiläumsmodell Watt/Puppye an einer großen Kette mit Elektronik von d´Agostino und dCS. Nach dem Preisschild haben wir nicht gefragt, aber die Vorführung glänzte durch mitreißende Beats, einen riesig plastischen Raum und einen Mitwipp-Faktor, der Besucher dazu brachte, den riesigen Saal mit einem Dauergrinsen zu verlassen.
Eher ins smarte Konzept, das wir bei STEREO GUIDE verfolgen, passte die kompakte Anlage, die Wilsons kleinste Tunetot mit einem All-in-One-Streaming-Receiver von Krell und einem Subwoofer von Velodyne verband. Eine erstaunlich harmonische Kette, die mit Spielfreude und Homogenität auftrumpfte und zeigte, dass wahres High End auch kompakt und mit wenigen Komponenten faszinierend klingen kann.
Zuviel live ist auch krass – Ascendo
Der Aufbau der fränkischen Lautsprechermanufaktur ließ den einen oder anderen Besucher schnell das Wort „Männerboxen“ über die Lippen kommen: Drei-Wege-Aktiv-Lautsprecher mit drei stolzen 15-Zoll-Treibern dominierten den Raum. Der Live-Faktor war unschlagbar mit heftiger Dynamik, krassen Lautstärken und anspringendem Druck aus den riesigen Türmen. Ein Klipschorn ist dagegen lahmer Kinderkram, dachten wir insgeheim. Ein wenig mehr sanftere Töne und Auflösung hätten sich klassisch eingestellte Highender wohl aber gewünscht. Der Hersteller versichert, dass sich die Boxen auf den jeweiligen Raum einmessen und entsprechend zähmen lassen.
Aktive Hörner ganz fein – Avantgarde Acoustic mit Soulnote
Den ehemaligen Kollegen Marius Dittert trafen wir im Raum von Wittmann HiFi, der uns eine ganz besondere Kette ans Herz legte: vollaktive Hörner von Avantgarde Acoustic mit audiophilen Zero-Feedback-Class-A-Endstufen an einer Kette von Soulnote mit ebensolchem Schaltungskonzept. Spielte gar nicht brachial, sondern wunderbar feinsinnig, schnell und plastisch. Ein schönes Beispiel dafür, wie scheinbar historische HiFi-Technik und modernste Konzepte harmonieren können.
Branchen-News und klassische Komponenten
Esoteric mit Audiaz
Weder günstig noch kompakt, freuten wir uns dennoch darüber, dass es die Komponenten der Edelmarke von Teac immer noch gibt. Dass hier echte Pioniere der Digitaltechnik am Werk waren, konnte man in der Kette mit der deutschen Lautsprechermanufaktur Audiaz deutlich hören: Transparenz und weiter Raum, so weit das Ohr reichte, dafür aber auch ein eher gediegener Vortrag, bei dem wir uns moderne, spaßbetontere Musik nicht so recht vorstellen konnten.
Zwei Legenden kehren zurück: Platine Verdier und Magnepan
Der Vertrieb Reichmann Audiosysteme erweitert sein Portfolio um zwei legendäre High End Marken: die gerade kultisch verehrte Plattenspielermanufaktur Platine Verdier aus Frankreich und den nicht minder kultträchtigen Flächenstrahlerhersteller Magnepan aus den USA. Letztere waren mit Abstand die größten Lautsprecher auf der Messe, und versprühten einen Charme der guten, alten High End Zeit im Frankfurter Hotel Kempinski, den wir ebendort letztes Jahr noch nicht so verspürt hatten.
Leicht zu durchschauen – Waterfall Audio
Das Konzept der durchsichtigen Lautsprecher rundete den Eindruck einer echten Retro-Messe ab: Waterfall Audio nennt sich der Hersteller, der das Konzept mit Echtglass statt Acryl realisiert hat. Das führte zwar zu diversen Diskussionen mit anwesenden Highendern, die dem Baustoff Glas klanglich nichts abgewinnen wollen, wir hatten aber unseren Spaß, weil die schmalen und unauffälligen Boxen ziemlich groß und mächtig klangen.
So ging ein rundum gelungener Messetag auf einer kleinen, feinen, eher traditionellen Messe zuende. Wir genießen die Sonnenstrahlen und denken an die gute alte Zeit zurück, in der alle HiFi-Messen so waren.